Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
hätte, wusste ich, ihr würdet das hier wollen. Und ich wollte nie dieses Leben für euch.« Leif lächelte schmerzerfüllt. » Ich wollte, dass ihr lebt. Dass ihr ein richtiges Leben führt. Und das hättet ihr nicht gehabt, wenn ich geblieben wäre. Ich wollte nicht, dass ihr so endet wie ich.«
» Na ja, dann ist es ja gut, dass du gegangen bist. So bin ich wenigstens nicht zum Vampir geworden«, sagte ich. » Oh, warte mal. Das bin ich ja doch. Ich bin nur ohne Vater aufgewachsen.«
» Ich habe alles nur für dich getan«, sagte Leif nachdrücklich. » Ob du mir glaubst oder nicht, das ist die Wahrheit. Ich bin so früh fortgegangen, weil ich nicht wollte, dass du dich an mich erinnerst und mich vermisst. Ich wollte, dass du mich vergisst und dein Leben weiterlebst.«
» Das hat nicht funktioniert, Dad! «, fauchte ich. » Ich habe dich trotzdem vermisst! Als ich klein war, habe ich mich in den Schlaf geweint. Und Milo fragte mich ständig nach dir, und ich musste mir irgendwelche Geschichten ausdenken, damit er nicht so traurig war. Und Mom, sie ist nie über dich hinweggekommen! Sie war unglücklich und verbittert und … du hast sie mit uns allein gelassen!«
» Es tut mir leid.« Leif schossen Tränen in die Augen. » Das wusste ich nicht. Ich …« Er senkte den Blick. » Ich wollte dich beschützen. Ich wollte nur, dass du glücklich wirst. Es hat mir das Herz gebrochen, dich zu verlassen, Alice.« Leif presste die Lippen aufeinander. » Deshalb bin ich bei den Lykanen gelandet. Ich dachte, sie würden mich töten.«
» War Mom deine große Liebe?«, fragte ich. » Die, für die du bestimmt warst?« Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, dass Jack mich ansah, als ich das sagte.
» Ja«, sagte Leif leise. » Sie war es. Und sie ist es immer noch.«
Ich kaute auf der Unterlippe herum. Ich kannte den Schmerz, ohne einen Vater aufzuwachsen und zu glauben, dass er mich nicht genug geliebt hatte, um bei mir zu bleiben. Und ich kannte den schrecklichen Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren. Der Streit mit Jack hatte mir so wehgetan, dass ich kaum sprechen und atmen konnte.
Leif jedoch hatte sich bewusst für diesen Schmerz entschieden. Er hatte meine Mutter, meinen ungeborenen Bruder und mich verlassen, obwohl er wusste, wie schmerzhaft das für ihn sein würde. Und er hatte es getan, um uns zu schützen. Er hatte sich freiwillig für unser Glück geopfert.
Ich hatte Leif immer nur freundlich erlebt. Er hatte mehr als einmal sein eigenes Leben riskiert, um mir und meinen Freunden zu helfen. Und bevor er mir gesagt hatte, dass er mich verlassen hatte, als ich noch ein Kind war, hatte ich ihn wirklich gemocht.
» Jetzt wirst du nicht mehr gehen, stimmt’s?«, fragte ich.
» Nein, natürlich nicht.« Er schüttelte den Kopf. » Ich bleibe bei euch.«
» Dann erzählen wir es besser Milo«, sagte ich.
Obwohl Milos Körper noch am Heilen war und er sich ausruhen musste, weckte ich ihn für diese Neuigkeit. Die Schwellungen und Blutergüsse waren verschwunden, aber er bewegte sich noch sehr unsicher. Ohne ihm zu verraten, warum er aufstehen musste, half ich ihm die Treppe hinunter. Weil Bobby nicht aufhören wollte, mir vorzuhalten, ich sei grausam, stieß ich ihm mit dem Ellbogen in den Bauch, damit er seinen Mund hielt.
Im Wohnzimmer setzte ich mich neben Milo auf die Couch und legte einen Arm um ihn, wobei ich nicht wusste, ob ich das mehr zu seiner oder zu meiner eigenen Unterstützung tat. Leif nahm sich einen Stuhl und setzte sich uns gegenüber, bereit, die ganze Geschichte noch einmal von vorn zu erzählen. Ezra blieb im Raum, um die Situation im Blick zu behalten, und das beruhigte mich ein wenig.
Jack wollte sich neben mich auf die Couch setzen, doch das ließ ich nicht zu.
» Nein«, sagte ich zu ihm. » So einfach geht das nicht.«
» Was denn?«, fragte Jack.
» Dass du plötzlich einen auf Unterstützer machst.« Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. » Du hast mit mir Schluss gemacht, erinnerst du dich?«
» Wie bitte?« Milo sah mich fassungslos an.
» Das tut jetzt nichts zur Sache«, sagte ich, während Jack sich auf der anderen Seite des Zimmers in einen Sessel setzte und vor sich hinmurmelte, dass er hätte Milo zur Seite stehen können. » Leif hat dir etwas Wichtigeres zu sagen, Milo.«
Leif erzählte Milo die ganze Geschichte, wobei das Gespräch in etwa so verlief wie bei mir. Erst Sprachlosigkeit, dann Fassungslosigkeit, dann die Wut darüber, dass Leif uns
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