Unter dem Vampirmond 3 - Verlangen
konnte.
Erst als ich ihn direkt ansah, wurde mir klar, warum ich ihn so mochte. Er hatte dieselben Augen wie mein Bruder.
»Vielen Dank«, sagte ich ernsthaft.
»Geh nur. Hol ihn. Bring ihn hier raus.«
Ezra war zwischen den Bäumen nur noch verschwommen zu sehen. Da er einen erheblich besseren Orientierungssinn hatte als ich, musste ich mich beeilen, ihn einzuholen.
Ich konnte seit Neuestem relativ große Schritte machen, doch in dieser Geschwindigkeit beherrschte ich sie noch nicht. Ich schlitterte, stolperte über jedes kleine Hindernis und stieß mir den Kopf mehrmals an tief hängenden Ästen. Als ich an dem kleinen See ankam, war ich voller Schnee und Kiefernadeln.
Ezra hatte abrupt haltgemacht, was ich erst bemerkte, als es schon zu spät war. Ich rutschte auf einer Eisscholle aus und schlitterte in ihn hinein. Es war, als renne ich gegen eine Backsteinwand, denn ich prallte von seinem Rücken ab und fiel zu Boden. Ich wollte gerade wieder aufstehen, als ich durch Ezras Beine hindurch etwas sah. Ich erstarrte vor Schreck.
Seine unverwechselbaren Augen waren sogar noch grüner, als ich sie in Erinnerung hatte. Wenige Meter von Ezra entfernt stand Peter. Er wirkte abgerissen. Sein Haar war in den vergangenen Wochen deutlich gewachsen und hing ihm über die Schultern. Bartstoppeln überzogen sein Gesicht und seine Kleider waren verschmutzt und zerlumpt. Dabei war Peter sein Aussehen immer so wichtig gewesen.
Trotzdem sah er noch fantastisch aus, und das lag sicherlich nicht daran, dass ich ihn durch eine rosarote Brille betrachtete. Ich wartete einen Moment, ob sein Anblick mich wieder unwiderstehlich zu ihm hinziehen würde. Doch nichts geschah. Nicht einmal als sich unsere Blicke kurz begegneten, vergaß ich das Atmen. Er hatte keine Macht mehr über mich.
»Du hast sie mitgebracht?«, fragte Peter seinen Bruder. Seine Worte waren nicht mit der vertrauten Abscheu und Verachtung gewürzt, die er früher für mich übrig gehabt hatte. Stattdessen klang er nervös und besorgt.
»Sie hat darauf bestanden«, sagte Ezra.
Zwischen den beiden herrschte eine merkwürdige Anspannung. Ich hatte angenommen, dass Ezra seinen Bruder mit Worten wie »Also, Peter, das reicht, wir gehen nach Hause« begrüßen würde, doch er sagte erst einmal gar nichts. Fast kam es mir vor, als fürchte er sich vor Peter. Ich stand auf und klopfte mir den Schnee von der Kleidung. Es kam mir nicht richtig vor, mich weiter hinter Ezra zu verstecken.
»Sie kann nicht mit ihnen kämpfen«, sagte Peter. Als ich hinter Ezra zum Vorschein kam, vermied er es, mich anzusehen.
»Wir sind auch nicht hier, um zu kämpfen«, sagte Ezra.
»Seid ihr etwa hier, um zu sterben?« Peter sah im Mondlicht blass und schmerzerfüllt aus. Seine Worte hallten von den Bäumen um uns herum wider.
Irgendwo schrie die Eule und flatterte wieder auf. Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
»Peter«, sagte Ezra, doch Peter achtete nicht auf ihn.
»Ich kann nicht glauben, dass ihr hergekommen seid. Ich bin hiergeblieben und habe das alles ertragen, damit sie euch vom Hals bleiben. Sie werden euch umbringen, Ezra! Verstehst du das? Sie werden dich und Alice und alle anderen umbringen!« Peter ging nervös auf und ab.
»Niemand wird irgendjemanden umbringen.« Ezras gelassener Bariton übertönte alles andere.
»Du weißt nicht, wie die sind.« Peters Ton wurde flehend. »Es ist so lang her, seit du sie erlebt hast!«
»Wir sind schon seit Tagen hier, durchsuchen das Revier der Lykane und hinterlassen überall unseren Geruch. Deine Bemühungen, dich zu opfern, haben wir schon durchkreuzt. Wir fahren jetzt zurück ins Hotel, machen dich sauber und überlegen uns, wie wir aus diesem Schlamassel wieder herauskommen«, sagte Ezra.
Peter stöhnte, wohl mehr über Ezras Dummheit als über den Gedanken, mit uns ins Hotel zu fahren. Er fuhr sich mit der Hand durchs verdreckte Haar und spähte in den Wald.
»Wir schaffen es wahrscheinlich nicht einmal bis zum Auto«, sagte Peter schließlich.
»Die Lykane sind in Schweden. Wir haben ein paar Tage Zeit, die Sache zu regeln.« Ezra ging einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste.
»Komm schon«, sagte ich. Es waren seit unserem Kuss die ersten Worte, die ich an Peter richtete. Damals war ich noch sterblich gewesen. »Komm mit.«
Peter sah mich an, musterte mich von oben bis unten. Obwohl ich nicht mehr in ihn verliebt war, errötete ich. Ich schaute zu Boden.
Schließlich nickte er und folgte uns
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