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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Torbogen hinter sich gelassen, vernahmen sie das Brausen eines Sturmwinds, obwohl nicht der geringste Luftzug ihre Gesichter streifte.
    Nach dem ersten Schrecken sagte sich Faraday, daß die Halle eine recht genaue Kopie des Mondsaals im Palast von Karlon darstellte, nur wirkte sie kleiner, war dafür aber kunstvoller eingerichtet. Ein kreisrunder Raum, eingerahmt von Säulen und Torbogen. Jede Säule bestand aus halb durchsichtigem weißen Stein und stellte einen geflügelten nackten Mann dar. Die meisten der Skulpturen hielten das Haupt gesenkt, hatten die Arme vor der Brust verschränkt und spreizten die Schwingen so weit, als wollten sie ihren Nachbarn berühren. Die Schwingenspitzen bildeten den Scheitelpunkt der Bogen. Dem Mädchen fiel auf, daß die Säulen an der gegenüberliegenden Seite sich von den restlichen unterschieden. Hier hatten die geflügelten Wesen den Kopf erhoben und die Augen geöffnet. Ihre goldenen Augen starrten in die Mitte des Saals, und sie hatten sowohl die Flügel als auch die Arme ausgebreitet, so als seien sie von jubelnder Freude erfüllt. Faraday mußte die Säulen gar nicht erst zählen, um ihre Anzahl zu kennen: sechsundzwanzig.
    »Herrin«, flüsterte Timozel, und als sie sich zu ihm umwandte, zeigte er zur gewölbten Decke hinauf. Dort sprangen und jagten blaue Schatten über das weiße Gestein. Wie Dämonen, dachte der Jüngling.
    »Oh, wie wunderschön!« begeisterte sich das Mädchen.
    »Ihr solltet den Blick nicht nur dorthin wenden, liebstes Fräulein«, sagte Jack und machte sie auf etwas noch Schöneres aufmerksam. »Blickt lieber in die Schatten.« Er stand noch unter dem Torbogen, durch den sie gerade geschritten waren, und seine ausgestreckte Hand wies auf den niedrigen Rand eines runden Beckens, das in den Boden eingelassen war.
    Faraday schritt darauf zu und zog den zögernden Timozel hinter sich her. Die Aufregung raubte ihr schier den Atem. Ein paar Schritte vor dem Becken wollte der Ritter nicht mehr weiter und blieb unvermittelt stehen. Das Mädchen ließ seine Hand los und trat an den kniehohen Rand, der sich als so breit erwies, daß man darauf sitzen konnte. Ohne Zögern ließ sie sich darauf nieder. Reiches blaues Licht flutete über ihr Gesicht und wurde hoch über ihr von den Steinwänden zurückgeworfen.
    Mund und Augen weit aufgerissen, vergaß sie gänzlich zu atmen. Yr und Jack traten zu ihr, und ergriffen betrachteten alle drei das Wunder des Sternentors.
    Das kreisrunde Becken enthielt kein Wasser, sondern nicht mehr und nicht weniger als das gesamte Universum. Das richtige Universum und nicht bloß dessen schwachen Abglanz, den man am Nachthimmel sah. Sterne drehten sich und tanzten, Sonnen jagten einander durch Galaxien, Monde tauchten und hüpften durch Planetensysteme, und helle Kometen zogen ihre rätselhafte Bahn. Das Tosen gewaltiger interstellarer Winde drang bis in den Saal, und das blaue Licht pulsierte durch das Sternentor. Es schien aus unvorstellbaren Weiten zu kommen.
    Faraday öffnete den Mund, als wolle sie Jack etwas sagen. Aber sie fand keine Worte, um zu beschreiben, was in ihr vorging. Das Mädchen hätte vor schierer Begeisterung über die unglaubliche Schönheit und Majestät des Sternentors schreien mögen. Kein Wunder, daß dieser Ort den Ikariern als Kultstätte gedient hatte. Und sofern sie nicht bis hier unten hatten gelangen können, verehrten sie den Widerschein des Sternentors am Nachthimmel. Artor schmolz in ihren Gedanken zur vollkommenen Bedeutungslosigkeit dahin, während sie zu erfassen versuchte, was sich ihren Augen darbot. Nichts, was man ihr über Artor und den Weg des Pflugs beigebracht hatte, ließ sich hiermit vergleichen. Faraday beneidete mit jeder Faser ihres Herzens die Krallenkönige, die durch dieses Tor hatten schreiten dürfen. Welch unfaßbare Freude mußte sie erfüllt haben, als sie über den Rand gestiegen und in die Unendlichkeit gelangt waren! Vielleicht hatten sie sich zu den Sternen gesellt und tanzten noch immer durch das Universum.
    »Ah«, stöhnte das Mädchen und sehnte sich danach, es ihnen gleichzutun. Ob sie wohl würdig genug war, vom Sternentor aufgenommen zu werden? Faraday streckte die Arme nach den Sternen aus.
    Jack legte ihr einen Arm um die Schultern. »Nein, mein liebes Kind, laßt Euch nicht in Versuchung führen. Weder Euch noch mir steht es zu, durch das Tor zu schreiten. Nur ein ikarischer Zauberer mit unvorstellbaren Kräften darf darauf hoffen, diesen Schritt zu

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