Unter dem Weltenbaum - 01
alles in Ordnung mit Euch?«
Er zögerte, die Augen zu öffnen, weil dann die Vision verschwände. Aber dann besann der Jüngling sich seines Schwurs und sah die Herrin an. »Ja, natürlich, was sollte mir denn fehlen?«
Alles wird sich zum Besten wenden …
Ich werde ein mächtiger Ritter sein, schwärmte Timozel in Gedanken, und im ganzen Land wird man meinen Namen nennen, so wie ich es eben sehen und hören durfte. Der Jüngling sprach Artor ein Dankgebet dafür, ihm diese Vision geschickt zu haben.
»Alles wird sich zum Besten wenden«, flüsterte er.
»Wir wollen weiter«, verkündete Jack, und alle erhoben sich steifbeinig. Yr hatte an Faradays Haar ein kleines Wunder vollbracht. Zusammengeflochten lag es nun im Nacken, und die kleinen Erdklumpen waren ebenso wie die Verfilzungen verschwunden. Sie drehte sich noch einmal nach ihrem Ritter um, ehe sie sich wieder an den Abstieg wagte. Sein selbstsicheres Lächeln schenkte ihr ausreichend Zuversicht. Faraday erfreute sich an der Vorstellung, ihren eigenen, ganz persönlichen Ritter zu haben.
Timozel folgte den anderen mit neuem Selbstvertrauen. Nach Artors Vision fühlte er sich reifer, stärker und gewichtiger. Allzeit wollte der Jüngling bereit sein, die Ehre seiner Herrin zu verteidigen – und auch die seines Gottes, wenn es sich ergeben sollte. Konnte es einen aufrechteren Helden geben?
Der Weg nach unten zog sich endlos dahin, und die einzige Erleichterung boten ihnen die Lampen, die Yr und Timozel hielten. Faraday bekam bei dem Gedanken eine Gänsehaut, wie jemand sich wohl gefühlt haben mochte, der in vollkommener Dunkelheit diese Stufen hinabgeschritten war. Aber vielleicht hatte der alte Zaubererkönig ja sein eigenes Licht zu erzeugen vermocht.
Irgendwann vernahmen sie das Geräusch eines schwachen Windes, dessen Widerhall die Treppe heraufwehte.
»Was ist denn das?« flüsterte Faraday Timozel legte ihr zur Beruhigung eine Hand auf die Schulter.
»Das Geräusch des Sternentors«, erwiderte ihr die Katzenfrau. Ihre Stimme verriet eine Erregung, die sie kaum unterdrücken konnte. Auch der Ritter vibrierte förmlich vor Anspannung.
Der Wind wurde stärker, und bald entdeckten die Gefährten ein blaues Licht, das den Schein ihrer Lampen unterstützte und rasch so hell wurde, daß Jack und Yr ihre Lampen löschen konnten. Nach kurzem Zögern folgte Timozel ihrem Beispiel. Die Katzenfrau schien es fast nicht mehr erwarten zu können und schob den Schweinehirten beiseite, um schneller voranzukommen.
»Bitte, Yr, wir sind gleich da«, grollte Jack, auch wenn er ebenfalls eine starke innere Erregung verspürte. Bei drei Gelegenheiten hatte er das Sternentor bereits sehen dürfen, aber selbst nach dreihundert Malen hätte er immer noch gestaunt.
Nach der nächsten Kehre hörten die Stufen unvermittelt auf und mündeten in einen verwinkelten Gang, der auf einen Torbogen zuführte. Das blaue Licht und der Wind schienen von außen durch die Öffnung zu dringen. Jack gebot allen stehenzubleiben. Doch Yr wirkte so begierig, daß Faraday schon befürchtete, sie werde nicht mehr an sich halten können und einfach loslaufen. Das Herz schlug dem Mädchen bis zum Hals. Timozel glaubte, sie bedürfe seines Schutzes, und zog sie an sich.
»Für uns besteht keine Gefahr, solange niemand den Versuch unternimmt, durch das Tor zu treten«, erklärte Jack und sah dabei Faraday und den Jüngling an. »Dennoch muß ich Euch vor einigen Dingen warnen. Yr, das betrifft auch dich. Hörst du überhaupt zu?« Die Katzenfrau nickte, ohne den Blick von der Quelle des blauen Lichts zu wenden. Der Schweinehirt wandte sich wieder an die beiden jungen Leute. »Seit nunmehr tausend Jahren hat kein Mensch diesen Ort betreten. Und zu Zeiten der Ikarier-Herrschaft war es nur selten einem Menschen gestattet, das Sternentor zu sehen. Dieser Ort gehört zu den heiligsten Stätten der Ikarier im ganzen Land. Erweist ihm also die nötige Ehrfurcht. Das Sternentor besitzt eine unfaßbare Schönheit, und Ihr werdet die Versuchung spüren, es zu durchschreiten. Schon jetzt hört Ihr sein Lied. Wenn Ihr das aber tut, kehrt Ihr nie mehr zurück. Habt Ihr mich verstanden?« Faraday und Timozel nickten gleichzeitig.
»Wohlan denn, betreten wir die Halle des Sternentors!«
Der Jüngling hielt die Hand des Mädchens, als sie den Wächtern folgten. Er war ihr Ritter und würde gewaltige Heerscharen anführen. Kein Grund also, sich vor einem blauen Licht zu fürchten.
Kaum hatten sie den
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