Unter dem Weltenbaum - 01
aufbrausende Eifersucht dämpfte. Sie fragte sich, wie es dem Krieger wohl ergehen mochte, aber sie fühlte sich zu erschöpft, um sich den Kopf länger darüber zu zerbrechen. Sie lehnte sich an Timozel und fiel in den Schlaf der Bewußtlosigkeit.
Kaum hatte Faraday die Augen geschlossen, da drängte der Schweinehirt auch schon zum Aufbruch. Den müden Gliedern zum Trotz zwang sie sich, aufzustehen und weiterzulaufen. Der Jüngling legte ihr einen Arm um die Hüften, und sie wußte nicht, ob er ihr damit helfen oder sich bloß an ihr festhalten wollte. Die Katzenfrau trottete mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt los und konnte den anderen kaum folgen. Einige Male glaubte Faraday, hinter sich einen dumpfen Aufprall zu hören, und wenn sie sich umdrehte, rappelte Yr sich gerade wieder mühsam, aber mit entschlossener Miene auf. Jack hingegen schien über unerschöpfliche Kräfte zu verfügen. Aber schließlich war er es gewöhnt, bei Wind und Wetter über diese Ebene zu ziehen; allerdings geriet auch er ein paarmal aus dem Tritt.
Irgendwann am Vormittag hob Jack die Hand und blieb stehen. Timozel und das Mädchen befanden sich in einem so betäubten Zustand, daß sie nur noch gedankenlos einen Fuß vor den anderen setzen konnten und fast in ihren Führer hineingelaufen wären. Yr ihrerseits prallte gegen die beiden. Der Jüngling schlang ihr den freien Arm um die Taille, damit sie nicht zusammenbrach.
»Seht«, sagte der Schweinehirt mit einer Stimme, der man die körperliche Anstrengung inzwischen anhörte. Er hob nicht einmal den Arm, sondern zeigte mit der Hand auf ein Gebäude. »Der Hof der guten Renkins.«
Faraday spähte nach vorn. Ungefähr fünfhundert Schritte vor ihnen stand in einer kleinen Senke ein Bauernhof. Ordentlich gepflegte Felder und Gärten umgaben ein langes, niedriges Steinhaus, dessen strohgedecktes Dach sich in gutem Zustand befand. Eine dünne Rauchsäule stieg aus dem Kamin und wurde sogleich von dem stürmischen Wind davontragen. Das Mädchen biß die Zähne zusammen und setzte wieder einen Fuß vor den anderen, angetrieben von der Hoffnung, in dem Haus ein warmes Feuer und ein weiches Bett vorzufinden.
Das Ehepaar Renkin hatte nicht nur dies, sondern viel mehr anzubieten. Die beiden saßen gerade am Feuer, als ein Klopfen sie aufschreckte. Als sie die Tür öffneten, sahen sie Jack den Schweinehirten mit einer Edlen, ihrer Zofe und – bei Artor! – einem ausgewachsenen Axtschwinger davorstehen! Abgesehen von Jack, der ein wenig mühsam und zusammenhanglos erzählte, die drei vor ein paar Tagen nach dem großen Sturm in der Ebene aufgelesen zu haben, waren die anderen viel zu erschöpft, um auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Die gute Frau Renkin zögerte nicht lange und führte die beiden Damen gleich zu dem großen Bett an der gegenüberliegenden Wand. Jack und der Soldat ließen sich auf die Bank neben dem Feuer fallen und waren schon eingeschlafen, bevor die Bäuerin sie zudecken konnte. Die Bauersleute sahen sich verwundert an, zuckten die Achseln, und Frau Renkin schritt zum Vorratsschrank. Wer so viele Gäste zu beköstigen hatte, mußte frisches Brot backen.
Faraday hatte noch nie etwas so Wundervolles geträumt, fühlte sich frei von Kummer und Schmerz und empfand vollkommenes Glück.
Sie saß in einem ausgesucht schönen Hain. Die Bäume ringsherum ragten bis weit in den Himmel hinauf, doch wenn sie den Kopf hob und nach oben schaute, erblickte sie über den Wipfeln Myriaden von Sternen – ein Bild, das es durchaus mit dem Sternentor aufnehmen konnte. Faraday senkte den Kopf und sah an sich hinab. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und saß inmitten des Wäldchens im kühlen Gras. Am Leib trug sie nicht mehr als ein weiches Frauenhemd, und an ihrer Brust trank ein neugeborenes Kind. Ein seliges Lächeln umspielte ihren Mund, und sie strich sanft über den zarten Flaum auf dem Köpfchen des Säuglings. Winzige, aber vollkommen geformte Fingerchen umfaßten ihre Brüste. Die junge Frau dankte dem Schicksal aus tiefstem Herzen, zusammen mit dem Kind an diesem Ort verweilen zu dürfen. Sie drückte es sanft an sich und sang ihm leise etwas vor.
Plötzlich fiel ein Schatten auf ihren Schoß, und sie blickte ängstlich auf. Doch ihr Stirnrunzeln legte sich rasch und ging in ein Lächeln über, denn bei dem Störenfried handelte es sich um ein Wesen mit dem Körper eines Mannes und dem Kopf eines weißen Hirschen. »Du mußt nun gehen«, mahnte sie
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