Unter dem Weltenbaum - 01
ihr bester Freund. »Nein«, widersprach sie trotzig, »dazu habe ich keine Lust. Hier an diesem Ort bedrängt mich weder Schmerz noch Trug. Und dir kann ich vertrauen, als einzigem.«
»Eines Tages wirst du wiederkommen«, entgegnete der Tiermensch und sah sie mit seinen sanften rehbraunen Augen liebevoll an, »und dann darfst du so lange bleiben, wie du magst.«
»Nein!« schrie Faraday, als der Hain sich auflöste. »Nein, ich will noch nicht gehen!«
Auch Timozel hatte einen Traum, doch der fiel ganz anders aus. Er schritt durch einen langen Eistunnel und trug nur die graue Hose der Axtschwinger. Er hatte keine Ahnung, wo er sich hier befand, und wußte nur, daß er sich auf den Untergang zu bewegte. Der Tod erwartete ihn am Ende des Tunnels. Merkwürdige Untiere sprangen an den Wänden auf und ab. Das Eis verzerrte ihre Gestalt, und Timozel konnte sie nicht deutlich erkennen; doch das war ihm nur recht. Er wollte sich umwenden und davonrennen; doch die Füße gehorchten ihm nicht. Eine Macht, viel stärker als sein Wille, hatte ihn überwältigt und zog ihn immer tiefer in den Tunnel hinein. Näher und immer näher schritt Timozel auf den sicheren Tod zu, der ihn am Ende erwartete. Schließlich entdeckte er eine schwere Eisentür, die den Gang blockierte – das Ende des Tunnels. Vor Furcht schlugen ihm die Zähne aufeinander, und er spürte, wie er sich benäßte. Er blieb vor der Tür stehen, und wie aus eigenem Antrieb hob sich seine Hand und hämmerte an das Holz. »Tritt ein!« ertönte eine fürchterliche Stimme, und die eigenmächtige Hand fuhr hinab zur Klinke. Timozel kämpfte mit jedem Muskel, sie zurückzuhalten, bis ihm der Schweiß ausbrach und er vor Anstrengung zitterte. Zwar gelang es ihm, die Bewegung der Hand zu verlangsamen, aber sie ganz aufzuhalten, vermochte er nicht. Und schließlich schlossen sich die Finger um die Metallklinke. »So tritt doch ein!« verlangte die furchtbare Stimme jetzt ungeduldig, und Timozel hörte schwere Schritte, die sich von der anderen Seite der Tür näherten. Er bebte am ganzen Leib, als die Klinke mit seiner Hand nach unten fuhr. »Nein!« schrie er. Dann verging alles um ihn herum, und er fiel in eine erlösende Ohnmacht.
25 Die guten Bauersleute
Faraday erwachte langsam und genoß die Wärme des Betts und die schönen Verheißungen ihres Traums. Eine Weile döste sie vor sich hin, weil sie noch keine Lust hatte, die Augen aufzuschlagen. Sie spürte, daß die Katzenfrau neben ihr noch schlief, und lauschte müßig den Bauersleuten und ihren Kindern, wie sie geschäftig durchs Haus eilten. Als ihr dann aber der Duft frischgebackenen Brots in die Nase stieg, war rasch aller Schlaf vergessen. Faraday rekelte sich und öffnete die Augen. Yr murmelte empört, als ihre Bettgenossin sich aufrichtete, das Laken um die Brust wickelte und in der guten Stube umschaute.
Der Mann und seine Familie bewohnten ein Bauernhaus, das aus einem einzigen Zimmer bestand. Vor einer Wand brannte ein großes Feuer und nährte sich von den getrockneten Torfstücken, die die Landbevölkerung im Sommer in den Marschen stach. Ein gewaltiger Suppenkessel hing an einem Gestell über den Flammen, und davor dampften, brodelten und wackelten Töpfe und Pfannen auf einem Eisenrost. Zwei Kleinkinder, offenbar Zwillinge, spielten fröhlich in sicherem Abstand zum Feuer und heißen Kochgeschirr. Der Bauer selbst döste auf der warmen Ofenbank, während seine rundliche Frau zwischen den Töpfen und dem schweren Tisch hin und her eilte, auf dem die Messer unzähliger Generationen ihre Spuren hinterlassen hatten.
Ansonsten gab es in der Stube nur wenige Möbel. Natürlich das Bett an der Wand, dazu ein paar Bänke, einen großen Vorratsschrank und zwei schwere Eisentruhen. Regale an den Wänden bewahrten die geringe Habe der Familie auf. In einem Land wie Achar war Holz schwer zu beschaffen und überaus teuer. Diese Leute mußten wahrscheinlich jahrelang sparen, um sich eins der Möbelstücke leisten zu können, die aus dem Holz der wenigen Baumschulen im Reich hergestellt wurden. Käseräder, Schinken und getrocknete Zwiebeln hingen an Schnüren von den unverkleideten Balken des Strohdachs herab. Hoch genug, damit Kinder und Hunde sie nicht erreichen konnten. An der Wand, dem Feuer gegenüber, hing ein fest in Windeln gewickeltes schlafendes Kind in einem Bändergeschirr, das von einem großen Nagel gehalten wurde.
Die Bauersfrau entdeckte, daß die Edle erwacht war, und füllte ihr
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