Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
Vom Netzwerk:
auf. Wacht auf! Ist doch alles gut, mein Liebster. Alles ist gut, wacht bitte auf!«
    Die Herrin kannte diese Träume schon aus der Zeit, als er mit elf Jahren zu ihr und Ganelon gekommen war. Ein- oder zweimal im Monat hatten sie ihn heimgesucht. Obwohl er in der Dachkammer des Herrenhauses schlief, hatten seine Schreie doch den Fürsten von Tare und seine Gemahlin regelmäßig geweckt.
    Aber so schlimm wie heute war es nie gewesen. Dabei hatte Embeth schon halb gehofft, er wäre sie losgeworden. »Axis!« rief sie ihn in höchster Verzweiflung an, nahm die Hand von seiner Schulter und schlug ihm ins Gesicht. »Wacht auf!«
    Endlich schien er zu sich zu kommen und sich von dem Schrecken zu befreien, der ihn im Griff gehalten hatte. Verwirrt und immer noch der Panik nahe, packte er die Herrin am Arm und schien im ersten Moment nicht zu wissen, wer sie war oder wo er sich befand.
    »Axis«, murmelte sie und drückte seinen Kopf an ihre Brüste, »es ist doch schon gut, alles ist gut, Liebster. Ich bin doch da, bin für Euch da.«
    Der junge Mann schlang die Arme um sie, so fest er konnte, als könne nur ihre Liebe ihn retten. Eine Weile wiegte sie ihn und versuchte ihn zu beruhigen, während er sich bemühte, wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden.
    Embeth strich ihm übers Haar und ließ dabei ihren Tränen freien Lauf. »Schschscht«, flüsterte sie, als sie spürte, wie ihm vor Furcht die Schultern zitterten. Nach einigen Minuten löste er sich von ihr und ließ sich auf das zerwühlte Laken zurücksinken. Die Herrin schwieg, hielt sie es doch für ratsamer, ihn zuerst reden zu lassen.
    Endlich ergriff er ihre Hand. »Dank Euch dafür, hier zu sein«, sagte der Axtherr leise, und Embeth fragte sich, in wie vielen Nächten er wohl schon allein aus seinen Alpträumen erwacht war.
    »Das war sicher der Traum, der Euch schon in Eurer Kindheit bedrängte«, versuchte sie ihn zum Reden zu bringen.
    Axis atmete schwer. »Ja, der gleiche, doch in den zurückliegenden Monaten ist er immer schlimmer geworden. Unfaßbar entsetzlich.«
    Er schwieg wieder, und die Herrin streichelte ihm die Wange.
    »Warum haßt er mich so sehr?« murmelte Axis, aber seine Frage schien gar nicht an die Herrin gerichtet zu sein. »Aus welchem Grund? Ich habe nie darum gebeten, geboren zu werden. Wie sollte dann ich die Schuld daran tragen? Könnt Ihr mir das beantworten, Embeth?«
    »Fahrt fort.« Die Herrin glaubte schon, er werde ihr von seinem Traum berichten. Bereits als Kind hatte Axis ihr alle Einzelheiten verschwiegen, sosehr sie ihn auch gedrängt und gelockt hatte.
    Der Axtherr drehte sich zu ihr um, damit er sie ansehen konnte. Er wollte sie fragen, ob sie jemals bei einer ihrer Geburten das Gefühl gehabt habe, sterben zu müssen. Und wenn ja, ob sie dann dem Kind die Schuld daran gegeben hatte, ihren Leib so zu peinigen. Doch kaum hatte er sich die Worte zurechtgelegt, mußte er feststellen, daß er die Sprache nicht auf dieses Thema bringen durfte. Denn damit hätte er gleichzeitig zugeben müssen, jeden Tag seines Lebens mit der Schuld belastet zu sein, die Mutter getötet zu haben. Die eigene wunderschöne Mutter.
    Embeth bemerkte, wie seine Miene sich veränderte. Seine Züge verschlossen sich ihr, und sie wußte, daß sie ihn jetzt in Ruhe lassen mußte. Der junge Mann hatte sein Leben in dem Bewußtsein verbracht, von seiner eigenen Familie abgelehnt zu werden. Deswegen fiel es ihm auch so schwer zu glauben, daß andere ihn um seiner selbst willen liebten.
    Die Herrin küßte ihn ein letztes Mal auf die Stirn, schlüpfte aus dem Bett und suchte nach ihren Kleidern, die auf dem Boden verstreut lagen. In der frischen Morgenluft zog sie sich rasch an, steckte das Haar zu einem Knoten hoch und hoffte, so vor einem flüchtigen Blick bestehen zu können.
    Der Axtherr lag auf dem Bett, beobachtete sie und war ihr dankbar dafür, ihn nicht länger bedrängt und ihm keine Fragen mehr gestellt zu haben. Bevor sie ging, trat sie noch einmal zu ihm, berührte ihn aber nicht.
    »Laßt es mich wissen, wenn Ihr mich wieder braucht«, flüsterte sie, »dann will ich sogleich kommen.«
    Axis nickte, und Embeth lächelte kurz und traurig. Ohne weiteres Wort und ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie leise den Raum.
    Der junge Mann blieb allein in der Dunkelheit zurück.

4 Am Fuss der Grenzberge
    Die beiden Frauen saßen in der kühlen Morgenluft zusammen, hatten ihre einfachen Wolldecken eng um die Schultern gezogen und

Weitere Kostenlose Bücher