Unter dem Weltenbaum - 01
des Mannes und die Tränen in seinen Augen wieder einfielen.
Das Mädchen aber lächelte beruhigt. Ja, genauso würde es zwischen ihr und Bornheld auch kommen. Die Liebe mochte sich vielleicht etwas Zeit lassen, aber nach einem oder zwei Jahren würde es soweit sein. Und auch wenn es länger dauerte, sie wollte, mochte kommen, was wollte, ihrem Zukünftigen eine ebenso gute Frau sein wie Embeth ihrem Ganelon. Dazu bedurfte es nur der Geduld, der Achtung und der Pflichterfüllung.
»Dank Euch, Embeth. Jetzt bin ich wirklich glücklich, mit Euch geredet zu haben.«
»Artor belohnt diejenigen, die getreulich ihren Pflichten nachkommen.« Die Herrin deckte das Mädchen zu, als wäre sie ihre Tochter. »Und nun solltet Ihr schlafen, denn morgen geht es in aller Frühe los.«
Als Embeth wenig später die Tür zu ihrem Gemach öffnete, war Axis gegangen. Sie fühlte sich mit einem Mal sehr traurig und wollte, nachdem sie sich so innig an Ganelon erinnert hatte, die Nacht nicht allein verbringen. Wenn Faraday mit jemandem wie Ganelon verlobt gewesen wäre, hätte die Herrin nicht die geringsten Bedenken über den Verlauf ihrer Ehe gehabt. Aber Bornheld war leider ganz anders.
12 Am Rand des Walds der Schweigenden Frau
Die Reise von Tare zum Wald der Schweigenden Frau nahm fünf Tage in Anspruch. Der Knochenmond hatte begonnen, und es war bitterkalt geworden. Tagsüber tosten dunkle Wolken über den Himmel, und die Kolonne geriet immer wieder in einen heftigen Regenschauer, manchmal sogar in Hagel. Nicht mehr lange, dann würde auch Schnee fallen. Die Soldaten hüllten sich fester in ihre eingeölten Mäntel aus Seehundfell, zogen den Kragen bis zu den Ohren hoch und versuchten, das Wasser nicht zu beachten, welches ihnen den Nacken hinunterlief. Die Ebenen im Norden des tarenischen Landes wiesen nichts außer Gestrüpp und Gras auf, und hier gedieh kein Leben. Nirgends fand man Schutz gegen den Regen. Merlion fror in ihrem schweren Mantel und fühlte sich elend. Immer wieder verwünschte sie ihren Ehemann, der darauf bestanden hatte, daß seine Frau und seine Tochter mit den Axtschwingern reisten. Selbst Faradays gute Laune verging bei diesem miserablen Wetter. Gelegentlich ritt Timozel neben ihnen und versuchte, sie mit amüsanten Geschichten aufzumuntern. Aber die Damen hatten dafür nur ein höfliches Lächeln übrig, und so preschte er nach einer Weile stets zu seiner Truppe zurück.
Noch seltener zeigte sich Axis bei ihnen und bemühte sich um ein Gespräch mit der Tochter. Irgendwie fühlte er sich verpflichtet, ihr etwas zu der letzten Nacht auf Burg Tare zu sagen, obwohl Embeth ihm versichert hatte, dem Mädchen schon alles erklärt zu haben. Einmal gelang es dem Axtherrn sogar, Faraday ohne ihre Mutter anzutreffen, die sonst wie eine Klette an der Seite ihrer Tochter hing. Aber kaum hatte er begonnen, da lächelte das Mädchen nur, entschuldigte sich dafür, ihn und die Herrin gestört zu haben, und ließ ihn ohne weiteres Wort stehen. Axis zuckte nur die Achseln. Früher oder später würde sie erwachsen werden und sich auch solchen Dingen stellen müssen. Er hoffte für sie, daß dies möglichst bald der Fall wäre, zumindest bevor Bornheld die Hände auf sie legen konnte.
Am Abend des fünften Tages erschien am Horizont der Wald der Schweigenden Frau und erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Heute hatte es verhältnismäßig wenig geregnet, obwohl die grauen Wolken immer noch tief hingen.
Belial ritt zum Befehlshaber, der still und reglos auf seinem Hengst saß und die Baumreihen in Augenschein nahm. »Bei diesem Anblick greift auch der artorfürchtigste Mann zu seiner Waffe, nicht wahr, Axtherr?«
Axis nickte geistesabwesend. Er hatte diesen Wald erst einmal zu Gesicht bekommen und war damals froh gewesen, ein paar Meilen südlich daran vorbeiziehen zu können. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn zu durchqueren.
»Wir reiten zwei Stunden darauf zu, Belial, und schlagen dann unser Lager auf. Wenn wir noch näher heranrücken, plagen uns in dieser Nacht sonst nur Alpträume. Und morgen … ja, morgen betreten wir dann den Wald.«
Der Stellvertreter verstand das Zögern seines Herrn. Wälder waren für die Menschen Achars ein furchterregender Anblick, und er wollte sich lieber nicht vorstellen, wie diese Masse an Bäumen auf ihn wirken würde, wenn sie sich noch mehr genähert hätten. Ganz zu schweigen davon, wie es erst wäre, wenn sie sich mitten in dem Forst befänden.
»Reiten
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