Unter dem Zwillingsstern
sein, doch sie h offte unwillkürlich, daß es sich nicht um ein Melodram in der Art von Carlas Film handelte. Sie h atte s ich d e n Film in München angesehen und fand ihn auf verstörende W eise morbide. Wenn Carla schon als Mi m in tätig sein m ußte, dann sollte sie nach Möglichkeit in den Meisterwerken der Literatur spielen, das tat zu m i ndest etwas für die Bildung des Publiku m s, oder in einem Werk, das Bezug auf die Nöte d er Zeit nah m . Was sie am m eisten beunruhigte, war, daß der Film ihr Carla auf eine W e ise prä s enti e rte, in d e r sie sie nic h t s ehen wollte. Es kam ihr wie ein nachträglicher Sieg von Heinrich Fehr und, ja, auch der bedauerns w erten, törichten Anni ü ber i h re ei g ene Erziehung vor. Und jetzt m ußte sie auch noch erfahren, daß Carlas nächste Rolle die einer Morphinistin war. Carla so l lte eine m oderne junge Frau m i t positi v en Gedanken sein, statt s i ch in Dekadenz und Tod zu verse n ken.
» W as«, fragte sie also o hne g r oßen Enthusias m us, »wird denn gegeben ? «
»Faust, erster Teil«, antwortete Carla zu Käthes großer Erleichterung, » m it Werner Krauß und Käthe Gold, aber die Karten stam m e n von unserem Jago, der jetzt den M e phisto spielt. Gustaf Gründgens.« Da Carla am nächsten Tag wieder arbeiten m ußte, ließ Käthe s ie über den Rest der ge m einsa m en Zeit bestim m en und willi g te sogar in einen Friseurbesuch ein. Die m assierenden Finger in ihrem nassen Haar ver m ittelten i h r ein schuldbe w ußtes Verg n ügen; nor m alerwei s e gehörte ein Haarschnitt zu den Ding e n, die sie s elbst erle d i g t e. Der Stufenschnitt, den die Friseuse vorschlug, ließ sie jünger aussehen, aber s ie zog die Grenze, als m an ihr auch noch die Finger m a niküren wollte.
» W ie Mada m e wünschen«, sagte die Friseuse beleidigt. Es kostete Carla einige Überredungskunst, Kät h e danach zu etwas Sch m inke zu überreden.
» W enn du in Rom bist, gib dich wie die Rö m er«, bat sie.
»Aber es ist m i r peinlich«, wisperte Käthe verlegen, so leise wie möglich, da m it die Friseuse sie n i cht hören sollte. »Ich kann m i r nicht von einem wildfremden Menschen das Gesicht an m a len lassen.«
»Dann laß es m i ch m a chen. Ich bin ein Profi«, entgegnete Carla bestim m t , und Käthe gab nach. Sie spürte Pinsel, Puder, der sie zum Husten reizte, Cre m e und gelege n tlich Carlas kühle Fingerspitzen, ehe i h r ge s tattet wurde, wieder die Augen zu öffnen. Allerdings konnte sie das Ergebnis noch nicht im Spiegel sehen; Carla stand davor und betrachtete sie m it ein e m sehr konzentrierten Blick.
»So, und jetzt nach oben schauen«, befahl sie. Mit einem kleinen schwarzen Stift zog sie Käthes untere Augenlinien nach, während Käthe sich v erzweifelt b e m ühte, nicht zu blinzeln.
»Und du m u ßt das ständig m achen, wenn du im Theater auftrittst?« Carla lachte. »Oh, sich für einen Bühnenauftritt zu sch m inken dauert wesentlich länger, ganz zu sch w eigen von de m , was sie in einem Fil m studio m it dir anstellen. Da, du bist fertig. P ronto!«
Mit einer schwungvollen A r m bew e gung trat sie zur Seite. Käthe starrte in ein Gesicht, das statt zu einer ernsthaften, ber u fstätigen Frau zu einem beschäftigungslosen Luxusgeschöpf zu gehören schien. Ihr sch m aler Mund, der, wie sie nur zu gut wußte, altjüngferlich wirkte, hatte nun einen ausgeprägten Cupidobogen und eine Unterlippe, die durch das Rot irgendwie etwas voller ausfiel. Das Rouge m achte ihre breiten W angenknochen sch m aler; die Kohleu m r andung und der Lidschatten hoben die Farbe ihrer Augen hervor und brachten sie fast zum Leuchten.
Plötzlich f ü hlte sie s ich zutiefst verunsichert. C arla legte ihr die A r m e um den Hals und flüsterte ihr ins Ohr: »Du siehst hübsch aus, Kathi, und wenn du jetzt nicht läche l st, überläßt du m i ch der tiefen Verachtung aller im Laden anwesenden Friseusen.«
Das brachte Käthe tat s ächlich zum Lächeln. Die fre m de Frau i m Spiegel lächelte zurück, und sie b e schloß, den Tag als Ausflug in ein anderes Land zu neh m en, das Land dessen, was hätte sein können.
Im Theater erkannte sie einige von Carlas Freunden wieder, erinnerte sich jedoch nicht an ihre N a m en und mußte sich neu vorstellen lassen. Daß Robert als letzter ka m , überra s chte K äthe nicht.
»Carla«, sa g te er, »wer ist die Schö n heit an d ei n er Seite? Sie eri n nert m i ch vage an Fräulein Brod.«
Käthe
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