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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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können, kann ich schon lange. Ich neh m e zehn von den Schreibhanseln.«
    »Mir graut schon vor dem Tag«, sagte Kohner, als er die Geschichte Carla bei einem hastigen Lunch erzählte, »an dem er erfährt, daß kaum einer Englisch s p richt. Aber di e Hauptsac h e ist, er ni mm t sie.« Er griff nach ihrer Hand.
    »Es tut m i r leid, Carla, aber dein Fräul e in B r od war nic h t dab e i. Schau, ich weiß, es ist ungerecht, und jedes m enschliche Leben zählt gleich, aber ich m ußte die Berüh m theiten zuerst nennen. Doch ich kenne inzwischen je m anden, den ich bitten könnte, sie zu m i ndest aus dem Lager zu holen. Es ist sowieso lächerlich, was die Franzosen da treiben. Je m and wie Fritz Thyssen, d e r Hitle r s Au f stieg m it f inanzi e rt hat, m acht immer noch ungestört in Paris Urlaub, während Leute wie Lion Feuchtwanger oder deine Ziehmutter a ls p otentielle M itglied e r der fünften Kolonne hinter Stacheldraht gesteckt werden.«
    »Und du kennst je m anden, der sie aus dem Lager herausholen kann ? « drängte Carla.
    Kohner strahlte. »Einer von den Roosevelt-Söhnen, Ja m e s , fängt gerade an, sich in Hollywood als Produzent zu versuc h e n . W illie Wyler hat ihn m ir vorgestellt. U nd vierundzwanzig Stunden später, stell dir das vor, vierundzwanzig St u nden später eskortiert ein a m erikanischer Botschaftsattache m eine Mutter von Teplitz bis nach Genua. Ich werde Roosevelt wählen, egal, wie oft er kandidiert! Und was deine Zieh m utter angeht, ich habe Ja m es Roosevelt ihren N a m en zusam m en m it einer Reihe anderer angegeben, die der z eit int e rni e rt sind… und den Zeitungsartikel m it dem Photo von Thyssen, wie er in Paris diniert. Er hat versproch e n, seinen Einfluß spielen zu lassen. Es lohnt sich, opti m istisch zu s e in, Carla. Feuchtwanger zum Beispiel ist schon wieder draußen und in seinem H a us in Sanary.«
    Carla rang daru m , dankbar zu sein, aber eine ärgerliche S tim m e in ihr fragte, w arum der P r äsidentensohn, wenn er schon einmal dabei war, für Kathi nicht das gleiche hatte tun können wie für F r au Kohner. Ihr Agent sah ihr offensichtlich an, was sie dachte.
    Er verlor sein Lächeln und fügte hinzu: »Carla, m an m uß immer wissen, um wieviel m an gleichzeitig bei den Mächtigen bitten kann.« Natürlich w ar Kat h is L a ge nic h t so un m ittel b ar bedrohlich, wie die von Frau Kohner es in Teplitz gewesen war. Sie befand sich in einem freien, nicht einem besetzten Land.
    »Ich bin für jede Hilfe dankbar«, entgegnete Carla und versuchte sich an einem Lächeln, doch sie k o nnte die s t eile Falte zwischen ihren Augenbrauen nicht rechtzeitig wegzaubern. »Die Vorstellung, daß ausgerechnet Kathi als m ögliche deutsche Spionin eingesperrt wird, i s t an sich schon schlimm, aber was m ir wirkli c h Sorgen m acht, ist, daß Frankreich den Krieg verlieren könnte, bevor sie da wieder herauskommt. Kathi«, schloß Carla m it einer k leinen Spitze,
    »ist schließlich keine Berüh m theit.«
    »Nun, wir wollen nicht hoffen, daß F r ankreich den Krieg verliert. Carla, im letzten Krieg ging es jahrelang nicht vo r wärts und nicht rückwärts an ein und d ersel b en Fr o ntli n ie. So ähnlich wird es vielleic h t wied e r.«
    Ver m ischt m it ihren Sorgen um Kat h i, nagte etwas an ihr, über das sie m it Kohner nicht sprechen kon n te, und auch m it sonst keinem ihrer hiesigen Freunde. Sie hatte s i ch nie für sonderlich patriotisch gehalten, auch in den Zeiten der Wei m arer Republik nicht, und die Aufgabe i hrer S t aa t sbürgerschaft w ar ihr nicht sehr schwergefallen. Also überraschte sie das irrationale Schuldgefühl, das sie bei dem Gedanken, Deutschland die Niederl a ge zu wünschen, e m pfand. Sie sagte sich, sie wünschte sie nicht Deutschland, sondern H itler, der den Krieg begonnen hatte, aber das kam auf das gleiche heraus. Ein verlorener Krieg würde die Erinnerungen aus ihrer Kindheit an hungernde Me n schen auf der Stra ß e wieder W i rklichkeit werden lasse n , würde wahrschei n lich weite r e Reparationen mit sich bringen. Und Niederlagen zu wünschen bedeutete, Menschen den Tod zu wünschen, die sie vielleicht kannte oder sogar m ochte. Viele der E m igranten in Hollywood empfanden Bit t erkeit in bezug auf die Verbliebenen und sagten, sie hätten ihre W a hl getroffen und würden außerdem von den Früchten der Vertreibung leben, für die V e rtreiber, Diebe und Mörder Propaganda m a chen. Es lag W ahrheit darin, aber es

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