Unter dem Zwillingsstern
Mut t er, sie hat Photos ge m acht.«
Zum Abendessen lud er sie und sich bei Astrid ein, der er m it einem entsc h uldigenden Lächeln ei n e seiner L e bens m ittelk a rten au s händigte, denn er wollte nicht, d a ß sie seinetwegen in Schwierigkeiten ka m . Ihr Mann befand sich, wie Martinas Stiefvater, an der russischen Front, aber ihr Sohn verh i nderte durch seine Anwesenheit wirkungsvoll, daß das Gespräch auf J o achim Gottschalk ka m . Lediglich als er in den Keller ging, um e i ne neue Flasche Most hochzuholen, kam sie ihm nach und fragte leise: »Bist du gegangen ? «
»Ja.«
»Mit dem Kind? Oh, Robert, du weißt doch, was das für Konsequenzen haben kann.«
Lieber das, als wie Astrid vor ihrem eigenen Sohn ständig die Zunge im Zaum halten zu müssen, dachte er, sagte es jedoch nicht laut, denn dazu hatte er Astrid zu gern.
Dennoch gab es einen Mo m ent, in d e m er bereute, was er getan hatte. In der Nacht wurde er durch lautes Schluchzen geweckt. E r hatte gewöhnlich einen sehr festen Schlaf, aber aus ir g endeinem Grund vertrug er es selbst im Schlummer schlecht, je m anden weinen zu hören. Das Geräusch kam aus dem Gästezim m er, wo er Martina einquartiert hatte, und als er es betrat, sah er, daß sie wach war. Er setzte sich zu ihr auf den Bettrand, und sie warf die Ar m e um seinen Hals, was sie gewöhnlich nie tat.
»Bitte s t irb nicht!« sagte sie b esch w örend. »Bitte, Papa, stirb nicht! Ich hab geträu m t , du liegst in einem von den drei Särgen und verfaulst, und da bin ich aufgewacht!«
Robert König, der W elt ko m petentester Pädagoge. Warum h atte es die Natur nur eingerichtet, d a ß er Vater werden konnte?
»Ich sterbe nicht. Ich bin sehr, sehr gut im Überleben. Man könnte sogar sagen, es ist das, was ich am besten kann, gleich nach Regieführen und Theaterspielen, versteht sich.« Er zwickte sie in die Nase.
»Du sprichst m it dem b e sten Überlebenskünstler aller Zeiten, vertrau m i r.«
Sie schniefte. » W enn du Ma m a li e bgehabt hättest«, wisperte sie,
»und der Führer dir befohlen hätte, dich scheiden zu lassen, hättest du uns dann auch alle umgebracht ? «
Beruhigend strich er ihr über das Haar und überlegte sich eine akzeptable Antwort, die keine neuen Albträu m e auslöste. »D a m it es ganz genau das gleiche gewesen wäre, hätte Ma m a Jüdin sein m üssen, und dann hätte ich wohl versu c ht, schon lange vorher m it euch ins Ausland zu fliehen.«
» W ie Dada Gold m ann. Deswegen hast du ihn weggeschickt«, stellte sie fest. E r nickte.
»Sind wir V olksschädlinge ? « fragte sie. »Mi m i sagt, die Leute, die ins Ausland geflohen sind, seien alles Volksschädlinge.«
»Nein. Das sind nur Leute, die anderer Meinung sind als der Führer. Aber weißt du was das ble i bt besser unser G ehei m nis. Wenn du Mi m i oder Conny oder sonst einem deiner Freunde erzählst, daß ich das gesagt habe, m uß ich viellei c ht doch noch ins Ausland und kann dich nicht mitneh m en. Und ich wür d e dich wirklich sehr ver m issen.« Der letzte S atz beruhigte sie m e hr als alles Vorangegangene. Sie zweifelte nicht daran, daß ihre Mut t er sie liebte, und Dada Gold m ann hatte s i e auch liebgeha bt , aber bei i h rem Vater war sie sich nicht sicher. Ein m a l hatte sie Ma m a und P a pa Larwitz belauscht, und M a m a hatte gerufen: »Prozessieren? Ha! In W i rklichkeit ist er froh, daß er uns los ist. Robert hat nie eine Fa m i lie gewollt.«
» W irklich ? « wiederholte sie und ho f f t e, daß er nicht wieder einen W itz m achen werde.
» W irklich«, bestätigte er und hielt sie weit e r fest. »Ich verrate nichts«, sagte sie plötzlich, denn sie begriff inzwischen sehr wohl, daß ihr Vater doch ein Volksschädling und anderer Meinung als der Führer war und fortgeschickt wer d en würde wie die Leute am Bahnhof, wenn sie das erzählte. S elbst wenn sie m anch m al böse auf ihn war, wollte sie n i cht, daß er v e r s chwand. »Pfadfinderehrenwort«, fügte sie hinzu, einen seiner Lie b lingsausdrücke entlehnend. Er küßte sie auf die Wange und l i eß sie los, und m it einemmal überwältigte sie die Angst davor, wieder an die drei Särge denken zu m üssen, so sehr, daß sie ihre Scham übe r w and und flüsterte:
»Papa… bleibst du da, bis ich wieder eingeschlafen bin ? «
» W enn du möchtest«, entgegnete er, legte sich zu ihr und erzählte ihr m it sei n er war m en, einl u llen de n Stim m e eine Geschi c hte über eine P r
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