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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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seine Bewunderung da r über aussprach, welche W under sie an seiner ungebärdigen jungen Base bereits gewirkt habe.
    » W ir sind alle ganz erstaunt über C ousine Carlas Briefe. Nun ja, sie brauchte eben eine feste Hand.«
    Dann brachte er sein Anliegen vo r . Ein wenig m iß t rauisch fragte die Direkt or in, warum nicht Herr Bach m aier, der erst am gestrigen Morgen… Peinlich berührt brach s i e ab. Natürlich hätte Herr Bach m aier ni e m als innerhalb von dreißig Stunden nach München und zurück fahren können, ganz abgesehen davon, daß er gewiß nun seiner Gattin z ur Seite sta n d.
    Der junge Herr m it dem bezw i ngenden W esen und der angeneh m en St i m me erklärte, Vetter Philipp sei zum Zeitpunkt des tragischen Ereignisses gerade erst erschöpft von seiner Reise zurückgekehrt, weswegen Cousine Mari a nne ihn beauftragt habe, ihre Schwester zu holen, da m it sie der Beerdigung beiwohnen könne. Er holte einen kurzen Brief von Marianne Bach m aier aus seiner Brieftasche hervor und überreich t e ihn der Direktorin.
    Da sie n o ch nie m it Heinrich Fe h rs älterer Toc h ter k o rresp o ndiert hatte, verfügte die Direktorin üb e r keine r lei V e rgl e ichs m öglichk e iten. Der Rest von Mißtrauen schwand, während sie die knappen, würdevollen Zeilen überflog. Es m u ßte an den ungewöhnlichen Augen liegen, entschied sie, die bei n ahe asiatisch aussahen und so gar nicht zu der breiten Stupsnase paßten. Nun ja, wenn m an w e it genug zurückging, dann hatte ver m utlich so m ancher einen H u nnen der Völkerwanderungszeit zum Vorfah r en.
    »Ich werde das Mädchen rufen lassen, Herr König«, sagte sie. Er dankte ihr noch m als und versicherte ihr, Carla w ürde nach einer W oche wieder zurückgebracht werden. Angesichts Carlas m erkwürdigen Verhaltens am gestrigen Tag befürchtete die Direktorin insgehe i m eine Sze n e. Doch an diesem Spätnach m ittag benahm sich die junge Fehr ta d ell o s und offenbarte endlich Zeichen von f a m iliärem Zusam m engehörigkeitsge f ühl. Als sie ihren Cousin sah, ging ein Ruck durch ihre g anze Ge s t alt. Er b r eitete sei n e Ar m e aus, und die Direktorin wurde Zeugin einer rührenden D e m onstration verwandtschaftlicher Zuneigung. Danach dauerte es nicht m ehr lange, bis die beiden sich von ihr verabschiedeten, um den abendlichen Zug nach München noch zu erreichen. Der ritterliche Herr König trug Carlas kleinen Koffer, m it dem sie gekom m e n war. Allerdings, ver m utete die Direktorin, würde m an d e m Mädchen in München ange m essene Trauerkleidung zur Verfügung stellen m üssen. Dann, befriedigt, die uner f reulic h en Fehrsch e n Fa m ilien a ngelegenh e iten endlich geordn e t zu sehen, wandte sie sich wieder der Lektüre der Gartenlaube zu.
     
    »Ich kann nicht glauben, daß wir da m it durchgekommen sind«, sagte Carla, während sie ihren Koffer und Roberts T asche auf dem Gepäcknetz des leeren Abteils verst a uten, das sie im Zug nach Berlin gefunden hatten.
    » W eil du im m er noch in zu klein e n Maßstäben denkst«, gab Robert zurück und grinste, aber es war ein schwaches W etterleuchten im Vergleich zu seiner gewöhnlichen guten Laune. Dann verschwand die Heiterkeit ganz aus s einem Gesicht.
    »Mir ist sonst nichts eingefall e n. Als Dada m i r von deinem Anruf erzählt hat… Heute war die Beerd i gung, aber wenn ich da hätte teilneh m en m ü s sen die Heuchelei hätte ich nicht ausgehalten. Wo jeder in W i rklich k eit f r oh i s t, daß er es endlich geschafft hat, völlig zu verschwinden. Und ich dachte, du wirst in deinem Gefängnis bestim m t ebenfalls verrückt.«
    »Ja«, antwortete sie und spürte wieder die dunkle Flut, die in ihr hochstieg und d a m it drohte, sie fortzureißen. Sie setzte sich neben Robert, und als er ihre Hand ergriff, legte sie ihren Kopf an seine Schulter. Sie hatte das noch nie getan, aber es half ihr. Sie waren all e in, sie waren im m er all e in gewesen, doch sie hatten einander.
    Als der Schaffner k a m und Robert i h m die Karten zeigte, setzte sie sich wieder gerade hin u nd hüllte s i c h in ihre Erwachsenenallüre. Der Anblick des Mannes, der geschäftsmäßig m it seinem Locher klapperte, erinnerte sie wieder an pra k tische Dinge, und nachdem er ihnen den Rücken gekehrt hatte, fragte Carla:
    » W ovon werden wir die W oche in Be r lin eigentlich leben? Ich habe überhaupt kein Geld m ehr. Das letzte i s t zu W eihnacht e n f ür den Friseur draufgegangen. Erzähl m i r nicht,

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