Unter dem Zwillingsstern
zuzuwerfen. Ihr neues Selbst konnte allein m it allem fertigwerden. Um ihr h astiges Suchen nach einer überlegenen, erwachsenen Antwort zu überspielen, nippte sie an ihrem Glas.
»Glauben Sie denn«, fragte sie dann und versuchte, spöttisch und souverän zu klingen, »daß Sie uns beiden gewachsen wären ? «
»Schätzchen, ich bin a ll e m gewachsen.«
Der Mann hatte i h r nichts getan, aber plötzlich wollte sie nichts m ehr, als d as selbstge f ällige Läc h eln aus seinem Gesicht zu fegen.
»Auch einem Paar von Vater m ördern ? «
Die m it leichter Gier ge m i sch t e Erheiterung wurde brüchig und m achte einem Ausdruck von Irritation Platz.
»Ja«, sagte Robert und schaute an Dahnke vorbei zu Carla, ehe er seine braunen Augen auf den Mann heftete und ihn m it einer Intensität anstarrte, die den Zauberer d a zu brachte, unruhig an seinem Kragen zu rücken. » W ie ist das, Herbert? Hast du Mut genug für ein Kill e rpärc he n?«
Dahnke räusperte sich, und Carla m einte, zu Robert gewandt: »Offensichtlich nicht. Komm, wir gehen.«
Die düstere Stim m ung m it ihr e r Mischung aus Selbstverachtung und dem Wunsch, je m anden zu verletzen, verebbte nur langsam, während sie durch die S traßen des nächtlichen Berlin gingen und die gelegentlichen Zurufe ignorierten.
»Killerpärc h en«, wiederholte Carla. » W o hast du denn den Ausdruck her?«
»Aus einem Detektivheft. Aber du hast gut reden. Warum nicht beide? Hör m al, du ahnungslose Jungfrau, die Männer neh m en das wörtlich.«
» W oher willst du wissen, daß ich noch eine Jungfrau bin ? «
» W ei l ich auch ein Mann und keine m ehr bin.«
»Bist du doch«, sagte Carla, und die Schatten der Toten traten wieder in den Hintergrund, während s i e in das vertra u t e Mu st er ihrer Streitges p räche fielen. Aber ehe s i e in dieser Nacht ein s chliefen, m achten sie sich an ein letztes m agisches Ritual zum Schu t z gegen Albträu m e. Sie schrieben die Na m e n ih r er V ä t e r in großen Lett e rn auf die Hotelbriefbogen, gingen noch ein m al hinaus und zerrissen die Blätt e r auf einer Brücke über der Sp r ee. Eigentli c h wollten sie etwas in eigenen Worten sagen, doch keiner von beiden brachte einen Satz über die Lippen, bis R obert etwas ein f iel, das er im Salon sein e r Mutter immer dekla m iert hatte:
Kein Teufelsfluch befange dich
Kein Hexenzauber banne dich!
Kein Fluch bereit’ dir Gram!
Laß Ungemach und Kummer ab
Und finde F rieden dann im Grab!
Carla erkannte das Lied, und sie s p rach die letzten Verse flüsternd m it, während sie den Fetzen zusahen, die in der Dunkelheit davontrieben.
Dies m al hatte Robert vor seinem Durchbrennen eine Notiz für Dada Gold m ann hinterlegt, in der er versprach, nach einer W o c he wiederzukommen, und ihn bat, auf keinen Fall in Carlas Internat anzurufen. Außerdem kritzelte er im Lau f e der W oche eine Post k arte, um seine und Carlas fortwährende g u te Gesundheit zu bezeu ge n. Dennoch hatte die W oche in Berlin für ihn weitreichendere Folgen als für Carla, denn Dr. Gold m a nns Versuch, streng zu sein, wurde dies m al von seiner F rau unterstützt, und Robert verbrachte einige sehr frostige Tage ohne Taschengeld oder Aus g eherlaubnis, bis er erleichtert seine Koff e r packte und zu Beginn des neuen Schuljahres wieder nach Lubeldorf verschwand.
Da Dr. Go l d m ann tatsächlich nicht in Hohencrem angerufen und auch nie m and sonst versucht hatte, Carla zu erreichen, blieb ihr Ausbruch unentdeckt. Daß Marianne s i e nicht vom Tod ihres Vaters unterric h t ete, wunderte sie nicht, aber es hinterließ eine gewi s se Bitterkeit in i h r. Doch erst d as verän d erte, vorsichtige Beneh m en der Lehrerinnen ihr gegenüber brachte sie darauf, sich zu fragen, wer nun ihre Schul k osten b ezahlen würde u n d ob s i e überhaupt gezahlt würden. Dann traf, zwei Tage vor dem Ende der Ferien, ein U m schlag von der Anwaltskanzlei Kor i m orth & Guim aus Berlin für sie ein, selbstverständlich geöffnet. Die Berliner Adresse ließ sie einen Augenblick lang fürchten, es könnte m it ihrer hei m lichen Woche zusam m enhängen, aber das Fehlen j e glichen Ärgers auf dem Gesicht der Plaschinski, als sie ihr den U m s chlag überreichte, sprach dagegen.
Er enthielt zunächst ein kurzes Schreiben, in dem ein gewisser A. Kori m orth sie unterrichtete, laut Anweisung seines verstorbenen Klienten H. Fehr habe er ihr d i e beiliegende Urkunde nach Tod des oben Genannten zu
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