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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Unterschrift wieder unleserlich, ein wirrer Krakel.«
    »Hm …« Die Frau Generaldirektor betrachtete wie in tiefster Meditation versunken ihre manikürten Hände und sagte leise: »Der Herr Direktor und ich möchten, daß Sie die Angelegenheit im Augenblick nicht weiter verfolgen. Wir werden versuchen, daß Herr Kassner fortan keine Möglichkeit mehr haben wird für derartige – äh – nennen wir es: Unregelmäßigkeiten. Die Sache ist politisch höchst delikat für das Haus Adlon , so daß wir dezent verfahren müssen. Herr Kassner hat sehr einflußreiche Freunde. Sie haben sie ja gesehen.«
    »Ich wüßte nicht, wie man ihn in seinem augenblicklichen Tätigkeitsbereich von seinen Diebstählen abhalten könnte.«
    Hedda Adlon lächelte das Lächeln einer Mantissa. Honigsüß sagte sie: »Herr Kassner wird heute befördert werden. Er wird dann Assistenz beim Empfang machen.«
    ›Sie mag arrogant und schnippisch sein‹, dachte Karl, ›aber dumm ist sie bestimmt nicht.‹ Er nickte. »Verstehe, Frau Generaldirektor, Kassner wird hochgelobt und kaltgestellt.«
    »Herr Kassner wird befördert, Herr Meunier!«
    Damit war Karl entlassen. In der Halle traf er auf Louis Adlon.
    »Meine Frau hat Sie instruiert?«
    »Bezüglich der Witwen ? – Ja!«
    »Gut! Bleiben Sie bitte weiterhin wachsam, aber geben Sie ihm um Himmels willen keinerlei Hinweis, daß wir ihn im Visier haben.« Louis Adlon schnappte mit den Fingern, ein Page stand im Nu vor ihnen. »Frag in der Fahrbereitschaft nach, wann Direktor Holtsen den Wagen möchte.«
    »Jawohl, Herr Generaldirektor.« Der Page eilte davon.
    »Ich hätte da gleich einen neuen interessanten Auftrag für Sie, Meunier. Dieses Mal sind mehr Ihre gesellschaftlichen Umgangsformen und Ihre Bildung gefragt als Ihr kriminalistischer Spürsinn.«
    »Ich bin sehr gespannt, Herr Generaldirektor.«
    Louis Adlon wühlte in seiner Jackettasche. »Wo habe ich denn … ach, hier ist er ja!« Er entfaltete einen Zettel. »Herr Direktor Holtsen wünscht, das Buddhistische Haus in Frohnau zu besichtigen.«
    Karl versuchte, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen, dennoch entschlüpfte ihm ein: »Das … was?«
    »Genau das habe ich Direktor Holtsen auch gefragt. Das Buddhistische Haus ist eine religiöse Stiftung eines vermögenden Arztes, der die Deutschen zum Buddhismus bekehren wollte.«
    »Na, viel Spaß, falls mir die schnoddrige Bemerkung gestattet ist, Herr Generaldirektor.«
    »Ist sie, lieber Meunier, ist sie!« Louis Adlon lachte trocken. »In der heutigen Zeit wäre eine Portion Gewaltlosigkeit und Toleranz gar nicht mal fehl am Platze in diesem Land.«
    »Das allerdings«, sagte Karl. »Wo in Frohnau, bitte?«
    Louis Adlon reichte ihm den Zettel. »Edelhofdamm, Nummer steht nicht dabei.«
    »Kein Problem«, sagte Karl, »das finden wir.« Er überflog die Notiz. »Herr Direktor Holtsen möchte, daß wir vorher jemanden vom Kaiserhof abholen. Wissen Sie, wer das sein wird, ich meine, wie viele Personen ich befördern muß?«
    »Ich habe Erkundigungen eingezogen. Direktor Holtsen plant, Doktor Hedin dort abzuholen. Und einen gewissen Doktor Randhuber.«
    »Doch nicht den berühmten Sven Hedin?«
    »Doch«, sagte Louis Adlon. »Genau den.« Er hüstelte. »Doktor Hedin pflegt stets im Kaiserhof abzusteigen. Dieser Doktor Randhuber ist übrigens ein sehr hohes Tier in der NSDAP. Wirtschaftsexperte oder so.«
    Karl und der Generaldirektor tauschten verstehende Blicke.
    »Wir werden also, mich eingeschlossen, zu viert sein.«
    »So scheint es«, sagte Louis Adlon. »Nehmen Sie den Mercedes. Die Hitler-Leute bevorzugen diese Marke.«
    Das Buddhistische Haus lag auf der höchsten Erhebung in dem als Gartenstadt bezeichneten Reinickendorfer Stadtteil Frohnau. Je drei gemeißelte Elefanten auf den Eingangstorpfosten trugen einen wuchtigen geschwungenen Steinbalken, den exotische Ornamente schmückten. Eine steile Treppe führte zum Hauptgebäude, ein ausgetretener Pfad wand sich weniger direkt nach oben.
    Sven Hedin trat vor den verglasten Schaukasten und las laut vor: »Der Anstieg zum Tempel ist sinnbildlich. Die 73 Stufen entsprechen den 73 Arten des Wissens eines Buddhas. Die acht Treppenabsätze symbolisieren den Edlen achtfachen Pfad , das heißt: rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte …« Karl musterte Randhuber, der sich eine Zigarette – die wievielte war es eigentlich? – zwischen die Lippen steckte.
    »›Die Besucher werden gebeten, auf dem Tempelgelände nicht zu

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