Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
Vom Netzwerk:
dritte Bankierswitwe ihre brillantengespickten Knubbelfinger zärtlich beim Tanz in den Nacken drückt und dazu summt: ‚Schöner Gigolo, armer Gigolo …‘?‹
    Karl schaute zur Uhr. In zehn Minuten würde sein Kollege Schneider übernehmen.
    Der Eintänzer, der gerade mit Frau von Stechelzern das Tanzbein schwang, war ein ehemaliger Kavallerieleutnant, entfernt mit Hedda Adlon verwandt. Er zwinkerte Karl zu, als er mit seiner korpulenten Tanzpartnerin vorüberglitt. Er schwebte, sie schleifte.
    Schneiders spitze Nase tauchte unvermittelt vor Karl auf. Der Kollege hatte die Fähigkeit, eine Menschenmenge zu durchqueren, ohne daß ihn jemand wahrnahm. Unauffälliger grauer Anzug, unauffällige Krawatte. »Was Besonderes, Karl?«
    »Hab mal ein Auge auf die Kleine da hinten mit dem Samtkleid. Ich glaub, die ist nicht ganz koscher. Will’s aber nicht beschwören.«
    »Graf Banabula?«
    »Den habe ich bislang nicht gesichtet.« Graf Banabula provozierte gerne und lud dann seine Kontrahenten auf ein Pistolenduell in den Tiergarten ein. »Gägän Morgängrauän, Sie Schurrkä!« Aber der Graf war über Achtzig, und keiner nahm je die Einladung an. Karl und seine Kollegen mußten dann bloß rechtzeitig zur Stelle sein, denn der Graf wurde bei einer Ablehnung sehr ausfallend und riskierte schon mal ein paar deftige Maulschellen.
    »Irgendwelche besondere Prominenz?« Schneider blickte sich um: ein Botschaftsrat, ein Opernsänger, zwei höhere Töchter, ein weiblicher UFA-Star. Die normale Fünf-Uhr-Tanz-Tee-Mischung.
    »Nein«, sagte Karl. »Dann verschwinde ich mal jetzt.«
    »Also, schönen Feierabend, Kollege«, sagte Schneider und wurde unsichtbar.
    Karl ließ sich von der Zentrale mit Bennos Pension verbinden. Die Wirtin bedauerte, Benno – sie sprach vom Herrn Benno – wäre schon unterwegs zur Arbeit in die Meinekestraße. Karl trat auf den Pariser Platz und winkte ein Taxi heran.
    »Zur Bahnstraße nach Schöneberg, bitte!«
    » Leuchtturm? «
    »Fast. Schräg gegenüber. Die Nummer elf.«

19.
    E IN A BEND IM › O RIENTAL‹ UND IN EINER C HARLOTTENBURGER E CKKNEIPE
    Die Frauen trainierten noch, als er den Übungskeller betrat. Doris kam zu Karl, der es sich auf dem Besucherstuhl bequem gemacht hatte. »Sie können sie uns gleich entführen, Herr Karl, aber bitte irgendwann wiederbringen, sonst kracht unsere Nummer zusammen. Und bitte richten Sie Herrn Benno aus, er soll ein gutes Wort für uns im Oriental einlegen.«
    »Doris, los jetzt!« rief Vera energisch. »Und brabbel nicht so einen Unsinn. Das mit Herrn Bennos Chef erledige ich schon.«
    Karl mußte schmunzeln. Wenn es eine Anführerin der Geschwister Vendura gab, dann war das Vera.
    Brigitte stand auf Veras Schultern. Doris, die zierlichste der drei, kletterte an beiden hoch. Obwohl das Kellergewölbe hoch war, konnte sie nicht aufrecht stehen. Vera machte eine Kniebeuge, Brigitte und Doris taten es ihr nach. Alle klatschten in die Hände. Doris sprang als erste, einen Salto rückwärts, sie landete im Schlußsprung hinter Vera. Dann sprang Brigitte vor Vera und kauerte sich zusammen. Vera machte einen Handstand-Überschlag über sie hinweg und verharrte wie Doris in Schlußsprungpositur. Brigitte entfaltete sich und glitt in den Damenspagat. Karl applaudierte.
    Vera ging auf Karl zu. »Nicht schlecht, oder? Leider ist die Decke zu niedrig. Doris soll eigentlich noch einen einarmigen Handstand auf Brigittes Kopf machen.«
    »Es war auch so beeindruckend«, sagte Karl.
    »Ich zieh mich rasch um«, sagte Vera.
    »Lassen Sie sich Zeit. Ich warte drüben im Leuchtturm auf Sie.«
    Karl betrachtete es als ein gutes Omen, daß der Finne am Kleistpark an der Taxihalte stand. Sie begrüßten sich zu Veras Verwunderung wie alte Bekannte.
    »So ein Zufall, Sie!«
    »Wir Droschkenkutscher haben eben unsere Lieblingsplätze. Meiner ist hier. – Wo soll’s denn heute hin?«
    Karl nannte die Adresse. »Wie kommt es eigentlich, daß Sie als Ausländer eine Konzession haben?«
    »Ich hab keine. Ich bin bloß Fahrer. Das Taxi gehört meinem Schwiegervater, und rechtlich bin ich Deutscher wie Sie. Ich habe zwei Staatsbürgerschaften. Sicher ist sicher.« Die Droschke fuhr noch lärmender, noch ruckliger als beim letzten Mal, aber sie bewegte sich noch fort.
    »Haben Sie das Auto aus dem Museum entwendet, Herr Chauffeur?«
    »Nein, meine Dame. Bei mittelalterlichen Ausgrabungen in Spandau hat man es freigelegt. Beachten Sie bitte auch die Lederpolsterung von Ihrer

Weitere Kostenlose Bücher