Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
vermitteln.«
»Nein! Ich will es jetzt machen – ich brauche ein Ziel!«, platzte Amanda heraus.
»Dann lautet die große Frage wohl: Können Sie mit Ihrem Vater zusammenarbeiten?«
»Ich bin sicher, dass ich das kann«, beteuerte Amanda in der Hoffnung, dass es stimmte. »Ich weiß, es wird nicht einfach, aber wenn wir uns beide bemühen, den anderen zu verstehen …«
Der Finanzberater betrachtete sie einen Moment und trommelte nachdenklich mit den Fingern auf den Tisch. Dann stieß er ein Räuspern aus. »Also gut, wir machen es folgendermaßen: Ich sehe mir Ihren Businessplan an. Wenn er realisierbar ist, überlege ich mir die Finanzierung, und dann können wir gemeinsam beratschlagen, wie wir Brian die Sache schmackhaft machen. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen.
Sie müssen wissen, es sind drei Dinge, die die Bank interessieren.« Er zählte an seinen Fingern ab. »Erstens: Wie werden Sie die Schulden tilgen? Zweitens: Welche Verbesserungsmaßnahmen planen Sie für Ihren Betrieb? Und drittens: Haben Sie einen Plan B? Wenn unsere Vereinbarung sich nicht erfüllt und die Kluft zwischen Ihnen und Ihrem Vater noch größer wird, wie soll es dann am Schluss weitergehen? Haben Sie das verstanden? « Amanda nickte. »Gut. Ich lasse uns besser noch einen Kaffee bringen. Das könnte nämlich eine Weile dauern.«
Kapitel 7
Herbst 1934
E rschöpft kehrte Michael von seinem Tageswerk zurück. Sein Körper hatte sich noch nicht an die schwere Arbeit gewöhnt. Er ließ sich neben das glimmende Feuer vor seiner Hütte plumpsen.
Seine Vision von Kyleena – wie er das tausend Morgen große Land getauft hatte – hatte er immer noch klar vor Augen, obwohl er in den letzten drei Monaten nur langsam vorangekommen war. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er über mehr Kapital verfügte als die meisten anderen Siedler, wovon er einen Teil für den Bau seiner Hütte verwendet hatte, die nun sein Zuhause war. Der Gemüsegarten, den er gleich in der ersten Woche nach seiner Ankunft auf Kyleena angelegt hatte, wuchs und gedieh prächtig, obwohl Michael sich in einem ständigen Krieg mit den Wildkaninchen befand. Bei seinem letzten Besuch in der Stadt hatte er eine Rolle Kaninchenzaun besorgt, der zum Glück seinen Zweck zu erfüllen schien. Sein nächstes großes Projekt würde sein, das Land für die Viehweiden zu roden. Andere Siedler hatten Söhne, die ihnen bei der schweren Arbeit halfen, aber Michael war auf sich alleine gestellt, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als einen Helfer einzustellen. Bei einem seiner Besuche in Esperance hatte er den jungen Thomas Cramm kennengelernt, den Sohn seiner ehemaligen Wirtin, Anna Cramm. Thomas erwies sich als zuverlässiger Arbeiter. Michael war immer um sein Vieh besorgt, wenn er seine Zwei-Tages-Reise in die Stadt unternahm. Aber jetzt, da Thomas auf der Farm blieb, war er diese Sorge los.
Michael fragte sich, was seine Mutter wohl sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte. Seine Hände waren voller Blasen und Schwielen, und seine Haut war verbrannt. Die Hitze hatte ihm geboten, seinen Schnurrbart abzurasieren, und die schwarze Melone, mit der er im Hafen von London stolz das Schiff bestiegen hatte, war inzwischen einem Filzhut gewichen, von dessen breiter Krempe Korken an Bindfäden baumelten, eine selbst gebaute Vorrichtung, die die Fliegen verscheuchen sollte.
Michael bewegte sich langsam über den Hof, Bowy immer dicht an seiner Seite. Er schnitt mit einem Messer einen Streifen Fleisch von dem toten Schwein ab, das er, eingewickelt in ein feuchtes Baumwolltuch, an einem Baum aufgehängt hatte. Er warf das Fleischstück in den gusseisernen Topf über dem Feuer und senkte diesen in die Glut. Dann sah er nach den drei Pferden, fünfzig Schafen und zwei Kühen, die er sich angeschafft hatte und die in einem Gehege direkt neben der Hütte untergebracht waren. Falls in dieser Nacht die Dingos auftauchten, die den Siedlern in letzter Zeit das Leben schwer machten, konnte er sie zusammen mit Bowy schnell verjagen.
Nachdem er seine abendlichen Pflichten erledigt hatte, setzte er sich ans Feuer und schrieb im Schein der Flammen einen Brief an seine Familie. Michael musste noch heute fertig werden, weil er am nächsten Morgen nach Esperance aufbrechen wollte, um seine monatlichen Vorräte zu besorgen. Die Reise war beschwerlich, da der Weg an der Telegrafenlinie entlang durch tiefen Sand führte. Sein Tagebuch lag neben ihm, und nachdem er seinen Brief
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