Unter den Sternen von Rio
sich in wilden Zuckungen in ihr ergoss. Henrique weinte ebenfalls lautlos, brachte es jedoch nicht über sich, einzugreifen. Was hätte es schon gebracht? Die Vergewaltiger waren in der Überzahl. Und trotz seiner Scham und seinem Mitleid für das Mädchen merkte er, dass diese gewaltsame Unterwerfung ihn nicht nur anwiderte, sondern auch erregte.
Nachdem die Männer von ihr abgelassen hatten, lag Bel zusammengekrümmt und wimmernd auf dem Boden. Am liebsten wäre sie gestorben. Sie hatte fürchterliche Schmerzen, aber die waren nichts im Vergleich zu den seelischen Verletzungen, die sie davongetragen hatte. Bel schämte sich zutiefst für das, was ihr widerfahren war. Sie hasste die Täter, fast mehr noch aber hasste sie sich selbst. Immer und immer wieder ging sie in Gedanken durch, wie es zu dem Übergriff hatte kommen und wie sie ihn hätte vermeiden können. Wie lange sie dort lag, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Es konnten wenige Minuten vergangen sein oder auch mehrere Stunden. Aber war es nicht einerlei? Was war jetzt überhaupt noch wichtig? Von fern hörte sie Musik, die Bühnenshow lief also noch. Dann hörte sie ein zaghaftes Klopfen. Sie antwortete nicht, und sie rührte sich auch nicht, als Augusto die Tür einen Spalt weit öffnete und hereinschaute. Dann begriff er, was er sah, und trat ein.
»Mein Gott, Bel, was haben sie dir angetan?« Er kniete sich neben sie und streichelte zärtlich über ihr Gesicht.
Diese liebevolle Geste gab ihr den Rest. Mit einem herzerweichenden Schluchzen richtete sie sich auf und warf sich in Augustos ausgebreitete Arme. Sie weinte und weinte, der Tränenstrom schien gar nicht mehr zu versiegen. Augusto hatte genug Feingefühl, um zu schweigen. Er fragte nicht weiter nach und sagte auch nichts, was tröstlich gemeint war, was aber doch keinen Trost spenden konnte. Er hielt Bel nur fest und strich ihr sanft übers Haar, bis ihre Schluchzer allmählich weniger wurden.
Er selber sah kaum weniger zerschunden aus als Bel. Er hatte ihr nach der Show ebenfalls seine Aufwartung in der Garderobe machen wollen, doch ein Mann hatte vor der Tür gestanden und ihn gewaltsam am Eintreten gehindert. Es war zu einem Handgemenge und schließlich zu einer ausgewachsenen Schlägerei gekommen, die der andere für sich entscheiden konnte, weil er nicht nur größer und stärker, sondern auch skrupelloser als Augusto war. Der Kerl hatte ihn überrascht. Niemals hätte Augusto gedacht, dass ein feiner Pinkel in vornehmer Abendgarderobe kämpfen konnte wie ein Straßenjunge.
Nun gab er sich die Schuld für das, was Bel widerfahren war. Wenn er nur früher hier gewesen wäre, wenn er nur den Mann vor der Tür hätte ausschalten können, wenn, wenn, wenn … Es war schrecklich, dass sein eigenes Versagen so schlimme Folgen für Bel gehabt hatte. Niemals würde er sich das verzeihen können.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte ihn jetzt Bel und sah ihn mit verquollenen Augen und laufender Nase an.
»Ach, nicht so schlimm«, erwiderte er. »Schlimm ist nur, dass ich den Kerl, der draußen Wache geschoben hat, nicht fertigmachen konnte. Vielleicht hätte ich dann rechtzeitig …«
»Oh Augusto!«, heulte Bel auf. »Das ist alles meine Schuld!«
»Aber nein! Ich war es doch, der nicht rechtzeitig zu Hilfe kam. Du kannst überhaupt nichts für das, was diese Schweine dir angetan haben.«
»Ich habe sie dazu animiert, vorher, bei meinem Auftritt. Hast du nicht gesehen, wie ich sie verführerisch angelächelt habe?« Abermals wurde sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.
»Das ist Unsinn, Bel. Andere hast du auch verführerisch angelächelt, das gehört nun einmal zu deiner Darbietung, und die anderen Leute haben sich ja auch nicht an dir vergangen.« Er raufte sich die Haare. »Du musst die Polizei verständigen.«
Bel erstarrte. »Ich gehe nicht zur Polizei!«
»Aber warum denn nicht? Die Mistkerle haben ein Verbrechen begangen, man muss ihnen Einhalt gebieten. Wer weiß, wann sie das nächste Mädchen vergewaltigen.«
»Ich mach das nicht. Niemals.« Bei der Vorstellung, wie sie irgendwelchen geil dreinschauenden Uniformierten die Details ihrer Schande schildern sollte, schluchzte sie auf. Polizisten waren schließlich auch nur Männer.
»Kanntest du die Kerle oder einen von ihnen?«
Bel schüttelte verneinend den Kopf. »Aber einer von ihnen hieß Henrique irgendwas, ich glaube, Almeida Campos. Das war der, der nichts gemacht hat, außer zuzuschauen.«
»Auch
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