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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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erschien am Arm ihres Vaters.
    Ana Carolina wusste nicht genau, wohin sie schauen und wie sie sich verhalten sollte. Bei dem »Hochzeitsunterricht«, den sie und Henrique hatten nehmen müssen, um während der Zeremonie alles richtig zu machen, hatte ihr niemand gesagt, ob sie lächeln sollte oder lieber ernst dreinblicken, ob sie ihre Freunde grüßen durfte oder nicht. Und sie hatte auch nicht danach gefragt, denn an solche Dinge hatte sie nie gedacht. Sie entschied sich dafür, stur nach vorn zu schauen, zu Henrique, und dabei die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln zu verziehen.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie die vollbesetzten Sitzbänke wahr, die Köpfe, die sich alle zu ihr gedreht hatten, die wippenden Federn an den Hüten der Frauen. Sie hörte ein leises Murmeln und meinte die Bewunderung aus dem Stimmengewirr heraushören zu können. Sie war dankbar, sich am Arm ihres Vaters festhalten zu können, denn andernfalls wäre sie bestimmt gestrauchelt. Sie stand nicht gern im Rampenlicht, es machte sie nervös. Zu allem Überfluss war der Fußboden mit dicken, alten Steinquadern gepflastert, die unregelmäßige Kanten hatten und Gift für jeden eleganten Damenschuh waren.
    Als sie vorn angelangt waren, wagte Ana Carolina es, zumindest die Personen in den ersten Reihen direkt anzusehen. Da saßen auf der linken Seite ihre eigenen Leute: ihre Mutter, ihre Brüder mit Familien, ihre Großmutter, dahinter erkannte sie Tante Joana, Onkel Max und Maurice. Letzterer winkte ihr neckisch zu. Rechts vom Mittelgang saßen die Eltern von Henrique, Francisco Xavier und Maria Imaculada de Almeida Campos, die sie aufmunternd anlächelten. Die anderen Personen, wahrscheinlich entfernte Verwandte oder Freunde von Henriques Eltern, kannte sie sie nicht.
    Ganz vorn standen der Bräutigam sowie die Trauzeugen, Marie auf ihrer Seite und ein gewisser Carlos Alberto auf Henriques. Als sie alle vier ihre korrekten Positionen eingenommen hatten, verließ ihr Vater sie und setzte sich auf den freien Platz neben seiner Frau. Ana Carolina raffte sich zu einem Lächeln auf, damit der arme Henrique, der schon so bang auf sie gewartet hatte, nicht gleich in Ohnmacht fiel vor lauter Aufregung. Sie selber war ebenfalls kurz davor, bewusstlos umzufallen, was jedoch mehr an dem betäubenden Duftgemisch aus Weihrauch, Lilien und teuren Parfums lag.
    Dann kam der Padre, natürlich nicht
irgendein
kleiner Pfarrer, sondern gleich der Bischof, in Begleitung einer ganzen Schar von Messdienern. Er sprach die versammelte Gemeinde mit einem Grußwort an, ganz so, wie es Ana Carolina in ihrer Vorbereitung gelernt hatte, danach folgten er und die Hochzeitsgäste einer genau festgelegten, traditionellen Reihenfolge aus Schuldbekenntnis, Kyrie, Gloria und Lesungen von Bibeltexten, all das immer wieder vom Gesang entweder des Chors oder der Gemeinde unterbrochen. Ana Carolina machte einfach alles mit, was die anderen taten. Da sie mit dem Rücken zur Gemeinde stand, orientierte sie sich an Marie, die einen guten Blick ins Kirchenschiff hatte und der hoffentlich keine peinlichen Fehler passierten. Wie aus weiter Entfernung hörte sie die sonore Stimme des Bischofs, der eine Stelle aus dem Buch Genesis las: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.« Oje, dachte Ana Carolina, das war die Stelle mit Adams Rippe – eine Passage aus dem Alten Testament, die sie schon immer für irgendwie albern gehalten hatte.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der eigentliche Trauritus begann. Ana Carolina war froh, dass der Bischof zuerst Henrique die Fragen stellte – sie selber war zeitweise in Gedanken so weit weg, dass sie womöglich ihren Einsatz verpasst hätte. Als der Geistliche sich dann ihr zuwandte und sie die großen Poren auf seiner Nase sah, spürte sie ihre feierlichen Gefühle vollends schwinden. Sie dachte die ganze Zeit an den ungeheuren Alkoholkonsum, der für die Entstehung einer derartigen Schnapsnase nötig gewesen sein musste.
    »Ana Carolina, ich frage dich: Bist du hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit deinem Bräutigam Henrique den Bund der Ehe zu schließen?«
    »Ja.«
    »Willst du deinen Mann lieben und achten und ihm die Treue halten alle Tage deines Lebens?«
    »Ja.«
    Die nächste Frage stellte der Bischof nun beiden Brautleuten: »Seid ihr beide bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott euch schenken will, und sie im Geist Christi und seiner Kirche zu erziehen?«
    »Ja.«
    Es folgte eine

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