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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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behandelt, übergekochte Milch vom Herd kratzt …«
    »Wir haben deine Botschaft verstanden, Neusa«, sagte Felipe beherrscht. »Aber ich habe keinerlei Kritik an dir geäußert, du hast nur meine Bemerkung mal wieder in den falschen Hals gekriegt.«
    »Klar, ich bin ja auch nicht so schlau wie der junge Augusto.«
    Lara, Lulu, Dona Fernanda und Augusto senkten betreten den Blick und studierten die unzähligen Kratzer auf der Tischplatte. Es war allen unangenehm, zu Zeugen von Unstimmigkeiten zwischen Ehepartnern zu werden. Nur das Baby war unbeeindruckt von diesem Stimmungswechsel. Und die Einzige, die es kommentierte, war ausgerechnet Bel. »Müsst ihr euch immerzu in unserer Gegenwart streiten? Macht das doch unter euch aus.«
    Alle starrten sie überrascht an.
    »Sieh an, für Frechheiten den Eltern gegenüber kriegst du den Mund plötzlich wieder auf«, sagte Dona Neusa.
    »Lass sie«, ging Felipe dazwischen, »sie hat ja recht.«
    »Irgendwie hat hier immer jeder recht, nur ich nicht.«
    »Bel«, sagte Dona Fernanda, »bringst du mich bitte hinauf in mein Zimmer? Ich bin müde.«
    »Aber ja,
avó,
ich helfe dir.«
    »Ich verabschiede mich dann auch besser«, sagte Augusto. »Darf ich«, richtete er sich an Dona Neusa, »morgen Abend wiederkommen? Ihr Essen schmeckt so köstlich. Ich bringe auch was mit, will mich ja nicht durchschnorren.«
    »Wenn’s unbedingt sein muss«, sagte sie mürrisch, aber Augusto sah das leichte Lächeln, das über ihr Gesicht huschte.
    Irgendwann würde auch Bel wieder lächeln. Und er würde jeden Tag herkommen, genauso lange, bis das geschah.

31
    A na Carolina war wie betäubt, als sie in ihrem Hochzeitskleid die Treppe hinabschritt. Stundenlang hatten ihre Mutter, Mariazinha sowie eine eigens einbestellte Friseurin an ihrem Kleid und ihren Haaren herumgezupft. Sie war schon jetzt todmüde. Von Aufregung konnte keine Rede sein. Eigentlich wollte sie die Trauung und die langen Festivitäten im Anschluss nur noch irgendwie überstehen und dann ihre Ruhe haben.
    Außer ihren Eltern waren alle Familienmitglieder bereits aufgebrochen. Ihr Vater würde sie fahren und nachher an seinem Arm in die Kirche geleiten. Als er Ana Carolina jetzt in den Salon treten sah, rief er bewundernd aus: »Du bist die schönste Braut, die ich je gesehen habe! Komm her und lass dich umarmen.«
    »Wehe, du ruinierst ihre Frisur«, warnte Vitória, konnte ihren Stolz aber schlecht verhehlen. Sie hatten ganze Arbeit geleistet, Ana Carolina wirkte wie eine moderne Märchenprinzessin.
    »Die Brautmutter ist eigentlich auch ganz appetitlich, findest du nicht?«, fragte León seine Tochter.
    »Sie sieht toll aus«, meinte Ana Carolina. Als appetitlich würde sie ihre Mutter niemals bezeichnen. »Und du macht ebenfalls keine schlechte Figur. Stimmt’s nicht,
mãe?
«
    »Ganz passabel«, sagte Vitória. Dabei fand sie, dass León umwerfend aussah in seinem Frack. »So, jetzt haben wir uns lange genug selbst beweihräuchert. Lasst uns fahren, damit auch die Hochzeitsgäste einen Blick auf unsere ach so schöne Familie werfen können.«
    Das Letzte, was Ana Carolina bewusst wahrnahm, als sie das Haus verließen, war die leere Stelle in der Vitrine, wo vor ein paar Monaten einmal die Porzellandose gestanden hatte. Es erschien ihr wie ein böses Omen.
    Die Motorhaube des Citroëns war mit einem prachtvollen weißen Blumengesteck geschmückt, das ihrem Vater die Sicht nahm. Er lugte die ganze Zeit rechts oder links daran vorbei. Dennoch gelangten sie sicher zur Kirche, denn sie waren sehr langsam gefahren, und die anderen Verkehrsteilnehmer waren außergewöhnlich rücksichtsvoll gewesen. Einem Wagen, in dem eine Braut saß, nahm man nicht die Vorfahrt.
    Vor der Kirche war kein Mensch zu sehen, und einen winzigen Augenblick lang dachte Ana Carolina, dass sie sich vielleicht im Datum getäuscht hatten.
    León sah auf die Uhr. »Wir sind fast eine halbe Stunde zu spät. Sie sind alle schon drin.«
    »Bestimmt ist der arme Henrique halb tot vor Sorge, dass du ihn versetzt haben könntest«, sagte Vitória schmunzelnd.
    Leider traf ihre Vermutung ins Schwarze. Als sie die Kirche betrat – vor Ana Carolina und León, die erst kurz nach ihr eintreten würden – und zu ihrem Platz in der ersten Reihe ging, sah sie den armen Henrique leichenblass nach Luft ringen. Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm zu verstehen, dass alles in bester Ordnung war. Kaum hatte Vitória sich gesetzt, ertönte der Hochzeitsmarsch, und die Braut

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