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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Alter nicht gerade erstrebenswert erscheinen ließen. Aber es machte Bel wenig aus. Und Neusa war richtiggehend aus dem Häuschen, dass sie auf diese Weise auf einen Schlag zwei Sorgen weniger hatte.
    Am Abend kam Augusto zu Besuch, so wie jeden Tag. Er verfolgte gespannt die Fortschritte, die Bel machte, wobei er vom bisherigen Verlauf ihrer Genesung enttäuscht gewesen war. Heute jedoch bemerkte er erstmals winzige Anzeichen einer Besserung. So sagte Bel zum Beispiel mehr als das übliche monotone »hm« oder »ja« – nicht viel mehr, aber immerhin sprach sie wieder in ganzen Sätzen. »Ich habe Großmutter gewaschen« und »Ich habe der Katze Sahne gegeben« waren im Vergleich zu vorher ja richtige Romane. Auch die Tatsache, dass sie überhaupt wieder zu so einfachen Verrichtungen in der Lage war, deutete er als Verbesserung. Je weniger sie über ihr eigenes Leid nachdachte und je mehr sie wieder am Alltag teilnahm, desto eher würde sie gesund werden.
    »Hier, Dona Neusa, meine Freundin in der Konditorei hat mir einen schönen Kuchen mitgegeben, als ich ihr erzählte, dass ich einen Krankenbesuch mache.« Er reichte ihr den leicht angeschlagenen Kokoskuchen, überzeugt, dass er mit diesem Geschenk einen Weg in Dona Neusas Herz finden würde. Aber weit gefehlt.
    »Wir brauchen keine Almosen«, ereiferte sie sich.
    »Natürlich nicht. Aber wo er doch schon mal hier ist, der leckere Kuchen, können wir ihn doch auch essen, oder?« Augusto fragte sich, warum die Frau so widerborstig war und nicht einfach eine nette Geste akzeptieren konnte. Aber er schlug sich nicht lange mit dieser Frage herum, denn viel wichtiger war es ja, Bels seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Er erzählte vom Alltag im Studio, gab Anekdoten über die Schauspieler zum Besten und brachte außer Bel alle zum Lachen. Bels zwei jüngere Geschwister liebten den Jungen, sie hingen an seinen Lippen, als gebe er große Weisheiten von sich und nicht banale Geschichtchen. Sogar das Baby war ganz vernarrt in Augusto, denn es saß, während er erzählte, auf seinem Schoß und wirkte rundum glücklich. Es gab keinen Mucks von sich, höchstens ein paar zufriedene Gluckser.
    »Heute hat der große Octávio Osório sich fast den hohlen Schädel gebrochen. Er ist beim Tanz mit unserer Diva ausgerutscht, und zwar auf einem Stück Käse, das ihm selber zuvor aus seinem Pausenbrot gerutscht war. Zum Glück, sonst wäre nachher ich noch zum Schuldigen erklärt worden oder die Putzfrau, weil rutschige Sachen herumliegen. Aber so war es ganz allein seine Schuld. Er hätte sich ja mal bücken und das Käsestück aufheben können. Aber für so was ist der sich zu fein. Na ja, jedenfalls landete er mit einem herrlichen lauten Poltern auf seinem Hintern, und sein Kopf verfehlte um Haaresbreite die Tischkante. Er hat einen Riesenwirbel darum gemacht, obwohl ihm überhaupt nichts passiert ist.«
    Lara und Lulu klatschten in die Hände, das Baby gurgelte ein glückliches »da da«, und Neusa, Felipe und Dona Fernanda lächelten. Die ganze Familie hatte Augusto ins Herz geschlossen. Nur Bel saß in sich gekehrt dabei und verzog keine Miene.
    »Ihr braucht gar nicht zu lachen«, fuhr Augusto fort, »denn der große Octávio sah zwar komisch aus, wie er da auf seinem mageren Popo saß, aber hinterher war ich derjenige, der den plattgetretenen Käse unter dem Schuh des Kerls wegmachen musste. Das war vielleicht ekelhaft.«
    Die Kinder lachten nun erst recht, doch Felipe setzte eine ernste Miene auf. »Du bist doch viel zu schlau, um diese Art von Arbeit machen zu müssen. Warum suchst du dir nicht etwas Richtiges, in einer seriösen Firma, wo du nicht andauernd mit so niederen Tätigkeiten gepiesackt wirst?«
    »Ach, ist schon gut so, mir gefällt meine Arbeit«, erklärte Augusto, dem die Wendung, die das Gespräch nahm, nicht gefiel. Warum nur nörgelten alle immerzu an seiner Arbeit herum? Immerhin hatte er fast jeden Abend etwas Lustiges zu berichten. Anders als normale Büroangestellte hatte Augusto auch viel mehr Freiheiten – wenn er etwa mit dem Fahrrad zu irgendeiner Erledigung losgeschickt wurde und unterwegs noch Zeit fand, ein Eis zu essen oder auf ein Pläuschchen bei Senhorita Iacinta vorbeizuschauen.
    »Recht hast du, Junge«, meinte Dona Neusa mit leicht säuerlicher Miene. »Es hat überhaupt nichts Ehrenrühriges, wenn man Schuhe putzt, das Haus sauber hält, mit beißender Lauge Saucenflecken herauswäscht, Splitter aus Füßen entfernt, Warzen

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