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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Allein auf einem Berg zu stehen und nichts als weiß wabernde Wolken sehen zu können, das erinnerte allzu sehr an alte Märchen und Schauergeschichten. Auch hören konnte man nicht viel, alle Geräusche waren gedämpft. Dafür spürte und roch man den Nebel umso deutlicher. Die winzigen Wassertröpfchen legten sich auf Ana Carolinas Haut wie ein Film, und ihr Duft war derselbe, wie ihn der Sprühnebel eines Wasserfalls verbreiten mochte.
    Es war gespenstisch.
    Plötzlich glaubte Ana Carolina Schritte zu hören, die sich ihr näherten.
    »Hallo?«, rief sie in die milchige Masse hinein. »Hallo? Ist da jemand?«
    Niemand antwortete ihr. Doch das Geräusch von Steinchen, die unter Schuhen knirschen, war unverkennbar. Da kam jemand, kein Zweifel.
    »Was fällt Ihnen ein? Geben Sie sich gefälligst zu erkennen!«, rief Ana Carolina. Ihre Stimme blieb fest, trotz der Angst, die sie auf einmal verspürte.
    »Henrique? Bist du es? Hör auf damit,
querido.
Das ist nicht sehr lustig.« Im Grunde glaubte sie selber nicht, dass ihr Verlobter solche makabren Späße mit ihr treiben würde. Aber wer sollte sie sonst hier erschrecken wollen?
    »Verzeihen Sie«, hörte sie nun eine Männerstimme leise sagen. Ihr blieb fast das Herz stehen. »Ich wollte Ihnen keinen Schrecken einjagen. Ich … ich bin selber ein bisschen, ähm, orientierungslos. Dieser Nebel kam so plötzlich, und wenn man den Weg nicht genau kennt, dann ist es etwas hinderlich, wenn man gar nichts mehr sieht. Bitte sagen Sie etwas, dann weist mir Ihre Stimme vielleicht einen sicheren Weg.«
    »Oh, ich … was soll ich denn sagen?«
    »Es ist ganz gleich. Singen Sie von mir aus ein Gutenachtlied. Hauptsache, ich höre Sie und finde zu Ihnen, ohne zu stolpern und von diesem vermaledeiten Gipfel zu stürzen.«
    Ana Carolina kicherte leise. »So schnell stürzt man hier nicht hinunter. Aber Sie haben recht: Die Wege sind in einem erbarmungswürdigen Zustand. Also: Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen und immer schön langsam gehen, dann haben Sie es gleich geschafft. Ah, ich glaube, ich sehe Sie schon.«
    Ana Carolina kniff die Augen zusammen. Sie meinte, einen dunklen Schatten ausmachen zu können, war sich aber nicht sicher, ob ihr die Wolken nicht einen Streich spielten.
    »Ehrlich? Ich sehe rein gar nichts«, sagte der Unbekannte in gespielter Verzweiflung – oder womöglich sogar in echter.
    »Tragen Sie etwas Dunkles?«, fragte Ana Carolina.
    »Ja. Und Sie?«
    Ana Carolina musste sich ein weiteres Kichern verkneifen. »Angesichts der Umstände verzeihe ich Ihnen diese unangemessenen Vertraulichkeiten. Aber bitte sehr: Ich trage ein hellgrünes Kleid. Daran wird es wohl liegen, dass Sie mich noch nicht sehen können.«
    Doch kaum hatte sie es ausgesprochen, als sich aus dem Nebel eine Silhouette löste. Der Fremde stand praktisch direkt vor ihr, als er abrupt innehielt.
    »Das war knapp!« Es war nicht klar, ob er damit sein Entkommen vor einem nebelbedingten Malheur meinte oder den nur um ein Haar verhinderten Zusammenstoß mit Ana Carolina.
    »Aber … das gibt es doch nicht!«, flüsterte diese nun.
    Der Mann schaute sie nachdenklich an. »Sind wir uns schon einmal begegnet? Irgendwie …« Er blinzelte ungläubig.
    Und ob sie sich schon getroffen hatten! Ana Carolina nahm es ihm nicht übel, dass er sie nicht auf den ersten Blick erkannt hatte. So erging es ihr selbst ebenfalls gelegentlich, wenn sie Leute traf, die sie aus einer anderen Zeit und von einem anderen Ort kannte. Da fiel die spontane Zuordnung manchmal schwer.
    »Antoine?«, fragte sie schüchtern.
    »Caro?«, kam es ebenso zaghaft zurück.
    Der Augenblick des Schweigens, der Ana Carolina wie eine Ewigkeit erscheinen wollte, stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Tausend Dinge gingen ihr gleichzeitig durch den Kopf, Wichtiges genauso wie Banales, Schönes ebenso wie Hässliches. Sie dachte an das grauenhafte Gefühl der Leere, das sie damals empfunden hatte, als Antoine sie versetzt hatte. Sie erinnerte sich aber auch an die wunderbaren Momente, in denen sie sich wie eine Königin gefühlt hatte. Und sie fragte sich, wie sie seine herrliche Stimme hatte vergessen können. Wahrscheinlich lag es an der anderen Sprache, in der sie sich nun unterhielten.
    »Heißen Sie wirklich Caro?«, riss er sie aus ihren Gedanken.
    »Ja. Eigentlich Ana Carolina. Aber Caro gefällt mir viel besser. Und Sie?«
    »António.«
    »Ach. Wie kreativ.«
    Er ging nicht auf ihren Spott ein. »Und Sie sind

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