Unter den Sternen von Rio
Und er wählte die Abendstunden, denn Caros Eltern gingen, nach allem, was er über sie gehört hatte, offenbar gern gemeinsam aus. Er hatte Glück: Gegen 19 Uhr verließen die beiden tatsächlich gemeinsam das Haus, Arm in Arm unter einem Regenschirm. António wartete ein paar Minuten, dann klingelte er.
Ein dümmliches Hausmädchen öffnete ihm. »Ja, bitte?«
»Ist die Senhorita Ana Carolina zu sprechen?«
»Äh, ja, ich glaube schon. Sekunde mal.« Damit schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. António war versucht, laut zu lachen. Ein so blödes Ding hatte er ja noch nie erlebt. Sie hatte weder nach seinem Namen gefragt noch ihn hineingebeten, damit er wenigstens in der Halle warten konnte.
Wenig später hörte er Caro mit dem Hausmädchen schimpfen. »Du dummes Huhn! Du gehst jetzt und fragst, wer es ist. Und wenn er nicht aussieht wie ein Räuber, dann bittest du ihn herein und sagst höflich zu ihm: ›Wenn Sie sich bitte einen Augenblick gedulden möchten.‹ Hast du das verstanden?«
»Meine Mutter sagt immer, die reichen Schnösel sind die schlimmsten Räuber.«
»Und was, bitte, willst du mir damit sagen? Hältst du uns alle auch für Diebe?«
»Nein, Sinhá Ana Carolina, Herr bewahre! Ich wollte sagen, der Mann da draußen, der sieht aus wie ein feiner Pinkel.«
António musste sehr an sich halten, um nicht lauthals herauszuprusten. Er verstand hier draußen jedes Wort von diesem absurden Dialog, denn in das obere Drittel der Haustür waren Lamellenfenster eingelassen, die geöffnet waren.
»Gut, dann geh jetzt und benimm dich genauso fein, wie der Herr aussieht.«
Die Tür öffnete sich erneut.
»Ja, also, die Sinhá Ana Carolina wäre schon zu sprechen. Aber nicht für jeden. Wer sind Sie denn?«
António konnte einfach nicht widerstehen: »Bestell ihr bitte, es sei ein Räuber.«
»Ach so, ja, hm. Moment.« Und abermals knallte sie die Tür zu.
Kaum eine Sekunde später kam die Tochter des Hauses höchstpersönlich an die Tür. Sie hatte Mariazinha beobachtet und hätte ihr am liebsten eins hinter die Löffel gegeben. Doch dann hatte sie die Stimme des Besuchers erkannt und beschlossen, ihn selber zu begrüßen – und fortzuschicken. Von einem verblödeten Hausmädchen würde er sich bestimmt nicht abwimmeln lassen.
»António.«
»Caro.«
Sie starrten einander einen Moment zu lange an. António brach das unangenehme Schweigen als Erster. »Bekomme ich einen Finderlohn?«
Auf ihrem Gesicht zeichnete sich Verblüffung ab. »Wofür?«
Er zeigte ihr die Kamera, die er hinter seinem Rücken verborgen hatte.
»Oh.«
»Du hast sie in meinem Wagen liegengelassen.«
»Was schwebt dir denn so vor, als Finderlohn?«
»Zum Beispiel könntest du mich hereinbitten. Ich weiß, dass du weißt, wie man das formvollendet tut. Ich wurde nämlich Zeuge deiner Lehrstunde mit der Hausangestellten.«
»Ausgeschlossen. Ich finde sogar, dass ich dir einen sehr großen Dienst erweise, wenn ich dich jetzt wegschicke.« Und mir selbst einen noch größeren, ergänzte sie im Geiste.
»Wie du meinst. Das Foto von dir kannst du dir bei Gelegenheit ja einmal anschauen, solltest du zufällig bei mir in der Nähe sein.«
»Du hast den Film aus der Kamera herausgenommen? Was fällt dir ein?!«
»Ich sagte doch, ich bin ein Räuber.«
»Bin ich wenigstens gut genug getroffen, dass sich dieser gemeine Diebstahl gelohnt hat?«
»Du siehst abstoßend aus. Insofern könnte man sagen: Ja, es hat sich gelohnt. Das macht es leichter, dich zu vergessen.«
»Ach, António. Hör doch auf mit diesem Unsinn. Du weißt so gut wie ich auch, dass es da nichts zu vergessen gibt. Verwechsle nicht eine Flirtlaune mit …« Fieberhaft überlegte Caro, welches Wort hier nun angemessen wäre, doch sie kam nicht darauf.
»… ewiger Liebe? Alles verzehrender Leidenschaft? Unendlichem Glück?«, ergänzte er und lächelte sie schief an.
Er sah unwiderstehlich aus. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen.
»Ich wünsche dir alles Gute bei der Suche«, sagte sie stattdessen steif und schloss die Tür. Als sie anhand seiner unscharf werdenden Umrisse erkannte, dass er ging, lehnte sie sich mit dem Rücken an die Tür, sank in die Knie und schlug verzweifelt schluchzend die Hände vors Gesicht.
Mariazinha hatte immerhin genügend Feingefühl, um sich leise davonzustehlen. Doch die Frage, warum die Sinhá diesen Mann denn nun nicht hereingebeten hatte, verfolgte sie noch eine ganze Weile lang. Es war doch
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