Unter den Sternen von Rio
überwarf.
»Ich lasse euch jungen Leute dann mal besser allein«, sagte Felipe und ging zur Tür.
»Nein, nein, bleiben Sie ruhig. Ich bin schon weg«, erwiderte Augusto.
»Ehrlich gesagt könnt ihr jetzt beide gehen. Ich bin sehr müde.« Mit einer gönnerhaften Geste entließ Bel ihre Besucher.
Im Treppenhaus stapften Felipe und Augusto still hintereinander nach unten. Erst als sie an der Haustür ankamen und sich ansahen, begannen sie beide auf einmal zu lachen.
13
E s war eine triste Zeremonie. Der Padre, der sie für den Gegenwert einer Kiste guten Weines ausführte, war ebenso lustlos wie der Bräutigam und die beiden Trauzeugen, die ihrerseits je eine Flasche Likör für ihre Dienste erhielten. Die Haushälterin des Padre sowie der Küster der kleinen Kirche hatten so etwas schon öfter erlebt. Manche Paare hatten es plötzlich ganz eilig, ihrer Verbindung den Hauch von Anständigkeit zu verleihen. Ohne die Zeit, ein Aufgebot zu bestellen und die nötigen bürokratischen Regelungen zu treffen, die für eine standesamtliche Hochzeit erforderlich waren, ließen sich die armen Sünder lieber schnell kirchlich trauen, bevor der Grund der überstürzten Eheschließung allzu deutlich hervortrat. Bei diesem Paar hier war es dasselbe. Die Haushälterin des Padre hatte einen geschulten Blick dafür, wer schwanger war und wer nicht. Diese Braut war es.
Obwohl seit der Ausrufung der Republik vor fast vierzig Jahren eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche herrschte und einzig die standesamtliche Trauung offiziell Geltung hatte, war vielen Leuten der Segen eines Priesters immer noch lieber als gar nichts. Man war ja dann, so argumentierten sie wohl,
vor Gott
Mann und Frau, und die arme Frucht ihres gottlosen Treibens würde nicht mit dem Makel einer unehelichen Geburt behaftet sein. Wenigstens nicht
vor Gott
und auch nicht vor den meisten Mitmenschen, denen die kirchliche Trauung nach wie vor als die einzig richtige erschien.
Die Braut war die einzige Anwesende, die ein angemessen feierliches Gesicht machte und wirklich bei der Sache war. Die anderen vier Personen waren in Gedanken ganz woanders. Der Padre ärgerte sich, weil diese Trauung in die Zeit fiel, in der er sonst sein Mittagsschläfchen hielt – er musste sich sehr beherrschen, um nicht andauernd zu gähnen. Der Küster dachte an die Hostien in der Sakristei, die bei der feuchten Luft anfingen zu schimmeln, und die Haushälterin überlegte, ob sie die Reste des Eintopfes von heute Mittag einfach am Abend noch einmal aufwärmen sollte. Der Bräutigam dachte an gar nichts weiter.
Antónios Kopf war wie leer gefegt. Er lauschte dem Rauschen des Wassers, das aus den Regenrohren der Kirche in eine Tonne plätscherte, und verspürte dabei ein lästiges Bedürfnis. Er roch den Essensdunst, der den Kleidern der Haushälterin anhaftete, und ekelte sich ein wenig. Sein Magen war wie zugeschnürt. Er fühlte, wie der steife Kragen seines nagelneuen Hemdes im Nacken scheuerte, und riss sich zusammen, um sich nicht zu kratzen. Irgendwann hörte er wie aus weiter Entfernung die Stimme des Padre, die ihn fragte, ob er diese Frau zu seinem Eheweib nehmen wolle. Ja, er wolle, antwortete er gelangweilt.
Natürlich wollte er nichts weniger als das. Aber dafür hatte man schließlich Freunde, oder nicht? Dass sie einem in der Not beistanden. Und seine alte Freundin, so viel stand fest, war in Nöten. Sie war schwanger geworden, der Vater des Kindes hatte sich verdrückt, und nun wollte sie wenigstens, dass das arme unschuldige Kindlein nicht unehelich geboren wurde. Das, hatte António ihr erklärt, wäre trotz einer kirchlichen Trauung der Fall. Doch seine Freundin hatte sich davon gänzlich unbeeindruckt gezeigt. Ihre Familie und ihre Bekannten wären vielleicht nicht begeistert, dass sie heimlich geheiratet hatte, aber sie würden sie nicht verstoßen. Gläubige Katholiken, die sie alle waren, galt ihnen eine kirchliche Trauung viel mehr als die offizielle standesamtliche Prozedur.
»Aber sie werden mich kennenlernen wollen«, hatte António eingewandt. »Und dazu, meine liebe Alice, bin ich nicht bereit. Ich werde nicht als dein Ehemann in Erscheinung treten – und erst recht nicht als der Vater des Kindes.«
»Das musst du auch nicht. Ich kann ihnen ja erzählen, dass du eine Arbeit im Ausland angenommen hast.«
»Erzähl ihnen, was du willst. Aber halte mich da bitte raus. Ich gehe mit dir zu einem Padre, wenn dein Seelenheil davon abhängt, aber
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