Unter den Sternen von Rio
erlaubte, sich von António abzuwenden. Wenn sie ihn direkt ansehen müsste, würde sie … heulen und lachen gleichzeitig oder unsinniges Zeug plappern oder ihn mit lachhaften Vorwürfen überhäufen. Nichts davon war wünschenswert. Also schwieg sie und verfolgte das Hin- und Herschwappen des Cognacs sowie das langsame, ölige Herabrinnen der Flüssigkeit an den Innenwänden des Glases.
»Was führt dich her?«, fragte António in die Stille hinein. Er klang sachlich, als habe er es mit einem Geschäftspartner zu tun und nicht mit der Frau, in die er sich unsterblich verliebt hatte.
Nach einer kurzen Pause gab Caro sich einen Ruck. Es war besser, direkt damit herauszurücken, als lange um den heißen Brei herumzureden.
»Wie hast du es angestellt?«
»Was?«
»Na, das mit den Rosen. Wie hast du es geschafft, dass dich keiner gesehen oder gehört hat?«
»Welche Rosen?«
»Bitte, António, erspare uns beiden solche Spielchen.«
»Möchtest du noch einen Cognac?«
Verwundert starrte Caro ihr Glas an. Sie hatte es bereits ausgetrunken. Waren die Pausen innerhalb ihres Wortwechsels so lang gewesen, dass sie jedes Mal an dem Glas genippt hatte? So musste es wohl sein. Es war ihr gar nicht so vorgekommen. Im Gegenteil, die Zeit schien zu rasen.
»Nein, ich möchte keinen Cognac. Ich möchte eine klare Antwort.«
»Willst du die wirklich? Die Wahrheit ist manchmal so fürchterlich profan. Wäre es da nicht besser, im Unklaren zu bleiben und sich dafür von dem Rätsel verzaubern zu lassen? Man erlebt ja nicht alle Tage ein
mistério das rosas.
«
»Woher hast du das denn nun wieder?«
»Henrique hat mir davon erzählt. Er jedenfalls fand es sehr schön, auf diese romantische Weise um eine Frau zu werben. Er wirkte beinahe neidisch, dass er nicht selbst draufgekommen war. Wobei ihm eine so niedere Gefühlsregung wie Neid ganz sicher fremd ist.«
»Ganz sicher«, bestätigte Caro. Dass Henrique und António einander sahen, ohne dass sie etwas davon mitbekam, erschien ihr auf eine diffuse Art ungerecht. Völliger Unsinn, schalt sie sich, die zwei kannten sich schon lange, bevor sie in ihr Leben getreten war, und natürlich trafen sie sich gelegentlich. Und es war ebenfalls ganz normal, dass Henrique ihr nichts davon erzählt hatte. Sie selber schilderte ihm ja auch nicht in sämtlichen Einzelheiten den Ablauf ihrer Tage oder wen sie wann wo getroffen hatte. Dennoch fühlte sie sich irgendwie ausgeschlossen.
»Du hast mir noch immer nicht auf meine eigentliche Frage geantwortet«, meinte sie betont gelassen, obwohl sie sich über Antónios gönnerhafte Art ärgerte. »Wagst du es nicht, weil es so ›fürchterlich profan‹ ist?«
»Also schön: Ich bin über euer Grundstück geflogen, nachts und bei schlechtem Wetter. Wenn es regnet und ein Gewitter im Anzug ist, schließen die meisten Leute ihre Fenster und bekommen wenig von dem mit, was sich draußen tut. Darüber hinaus habe ich den Motor mit Minimalleistung laufen lassen, so dass er sehr leise war. Beantwortet das deine Frage?«
Caro nickte. Viel lieber hätte sie indes den Kopf geschüttelt und ihm die Frage gestellt, die sie mehr als alles andere quälte: Warum?
»Du fragst dich vielleicht, warum ich das getan habe?«, fuhr António fort, als könne er direkt in ihren Kopf schauen. »Darauf jedoch kann ich dir keine Antwort geben. Ich weiß selber nicht, was in mich gefahren ist. Falls du dich belästigt gefühlt haben solltest, tut es mir leid.« Er beobachtete ihre Reaktionen sehr genau. Er war alles andere als zerknirscht, auch wenn er sich so gab. Im Grunde hatte er ja erreicht, was er wollte: Sie hatte reagiert. Sie saß hier bei ihm, und das war kein schlechter Anfang. Wenn sie nur endlich eine echte Regung zeigen würde! Sie gab sich von ihrer verschlossensten Seite, das gefiel ihm gar nicht. Konnte sie nicht schimpfen, heulen, lachen –
irgendetwas
tun, das ihm Aufschluss über ihre Gefühle gab? Dieses einsilbige, nüchterne Gehabe ging ihm auf den Geist.
»Tut es dir auch leid, dieses andere Mädchen belästigt zu haben?«, fragte sie ihn nun.
»Welches andere Mädchen?«
Caro verdrehte die Augen.
»Nein, sag schon, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Das, so musste Caro sich eingestehen, klang ungekünstelt und ehrlich. Wusste er wirklich nichts davon? War es tatsächlich die schnöde Tat eines Plagiators gewesen? Insgeheim freute sie sich darüber. Eine von mehreren zu sein war weiß Gott nicht schmeichelhaft. Aber die
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