Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
überhaupt keinen Anstand. Warum heiratet sie nicht und lässt sich einen Haufen Bälger machen? Anwärter gibt es doch sicher genügend.«
    »Weißt du, Bel …«
    Aber Bel hatte sich in Rage geredet. Sie wollte Augustos Einwände überhaupt nicht hören. »Wenn man sich hochschläft, muss man mit so etwas rechnen. Hätte sie mit ihrem Können überzeugt, wäre sie vielleicht nicht ganz so abhängig von der Gunst des
patrão
gewesen. Aber wer nicht mehr zu bieten hat als williges Fleisch, der verdirbt schneller. So wie Fleisch eben.«
    »Bel, du bist …«
    »Ich finde es unerhört, dass du ihre Partei ergreifst.«
    »Aber ich …«
    »Ich hätte gedacht, dass wenigstens du mich verstehst. Das ist eine herbe Enttäuschung für mich, ehrlich, Augusto. Wofür hat man denn Freunde, wenn sie in der Stunde der Not nicht zu einem halten? Und jetzt ist diese Stunde der Not angebrochen, verstehst du?«
    Bel setzte ihre Tirade noch eine Weile fort. Augusto war verstummt. Es gab so vieles, was er ihr hätte sagen wollen, doch sie ließ ihn ja nicht zu Wort kommen. Schlimmer noch, sie schob ihm die Schuld in die Schuhe. Dabei war er doch sicher der Erste gewesen, der sich auf ihre Seite geschlagen hatte – genau genommen hatte er ihren Aufstieg erst ermöglicht, denn er hatte ja die Platten vertauscht und ihr zu ihrem Auftritt als Früchtemädchen verholfen. Lag das wirklich erst zehn Tage zurück? Unvorstellbar, wie rasant die Dinge sich entwickelt hatten. Und erschreckend, wie unerreichbar Bel in so kurzer Zeit für ihn geworden war. War sie anfangs noch eine Statistin unter vielen gewesen, bei der er sich durchaus Chancen hatte erhoffen dürfen, so war sie nun zu einer künftigen Berühmtheit geworden. Wenn der
patrão,
der Chef, es sich so in den Kopf gesetzt hatte, würde es auch so kommen. Und er, Augusto, würde sie nur noch aus der Ferne bewundern dürfen. Seine Liebe würde er ihr nie gestehen können.
     
    Felipe wusste nicht, was der Besuch des dicklichen, älteren Herrn bei Bel zu bedeuten hatte. Als er jedoch in den folgenden Tagen beobachtete, dass seine Tochter immer öfter von dem luxuriösen Automobil dieses Mannes abgeholt wurde, schwante ihm Fürchterliches. Ob sie sich in ihrer Verzweiflung an den Kerl verkauft hatte? Allein die Vorstellung, wie dieser Dickwanst die glatte Wange seiner kleinen Bel tätschelte, ließ Felipes Puls in ungesunde Höhen schnellen. Mehr durfte er sich gar nicht erst ausmalen, sonst würde er sofort einen Herzinfarkt erleiden. Es half alles nichts: Er musste mit Bel reden, sie dazu bewegen, nach Hause zu kommen.
    Als er vor ihrer Zimmertür stand, horchte er zunächst. Weinte sie? Er glaubte ein Schluchzen zu hören, es hätte aber ebenso gut ein trauriges Lied sein können, das sie leise vor sich hin summte. Er nahm all seinen Mut zusammen – wo hatte man so etwas schon gehört, dass ein Vater Mut brauchte, um bei seiner 16 -jährigen Tochter anzuklopfen? – und pochte zaghaft an die Tür.
    »Es ist nicht abgeschlossen, Augusto, du kannst hereinkommen.«
    Lautlos öffnete Felipe die Tür. Was er sah, erschütterte ihn. Auf der Bettkante saß Bel in all ihrer jugendlichen Pracht, entblößt bis auf die Leibwäsche, und das linke Bein zu sich herangezogen, als sei sie gerade im Begriff, sich die Zehennägel zu schneiden. Ihr Gesicht war grün und blau angeschwollen.
    »Leg das Geld einfach auf die Kommode«, sagte sie, ohne aufzublicken.
    Felipe räusperte sich. Endlich schaute sie zu ihm hoch. Beide erschraken gleichermaßen. Einen Moment lang starrten sie sich schweigend an, dann ergriff Bel das Wort.
    »
Pai.
Was hast du denn hier verloren?«
    »Dasselbe wollte ich dich gerade fragen.«
    »Wonach sieht es denn aus?«, fragte sie schnippisch. Bel ärgerte sich maßlos über diesen unerwarteten Besuch, der doch nur bewies, dass ihre Familie ihr hinterherschnüffelte.
    »Es sieht danach aus«, sagte Felipe ernst und mit sorgenvoll gerunzelter Stirn, »als hättest du einen gewissen Senhor Augusto erwartet. Und sein Geld.«
    Bel begriff nicht sofort. Als sie endlich verstand, was ihr Vater zu erkennen geglaubt hatte, brach sie in schallendes Gelächter aus.
    »
Pai,
deine Phantasie spielt dir üble Streiche«, meinte sie grunzend, bevor sie sich fing und erklärte: »Ich sitze hier und verbinde meinen angeknacksten Fuß. Ich warte auf den Laufburschen der Firma, in der ich arbeite, der mir mein ausstehendes Honorar bringen soll. Und Augusto hat mich schon unzählige Male in

Weitere Kostenlose Bücher