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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Farmersfrauen – auch diese andere Sorte auszumachen. Verrufene Frauen. Flittchen. Schlampen. Sirenen. Doch gegenüber den Männern, die ihnen verfallen waren, strahlte jede von ihnen diese halb verstohlene, halb offen zur Schau getragene Feindseligkeit aus. Ich konnte es nicht begreifen. Sie waren dem Sex und der Liebe und den Männern nicht verfallen, und deshalb liefen ihnen die Männer nach wie Hündchen an der Leine.
    Ich drehte und wendete sozusagen zwischen meinen Fingern mehr als ein Paar aus meiner nun rasch entschwindenden Kindheit und rief mir Gespräche in Erinnerung, die ich auf den Veranden mit angehört hatte. Da war zum Beispiel Reggie, der meine Eltern aufsuchte, um sich Rat zu holen. Er war nach Südrhodesien gekommen, weil er, der jüngste Spross einer Mittelschichtsfamilie, in England keine Arbeit hatte finden können. Seine Farm erhielt er von der Land Bank. Er war ungefähr dreiundzwanzig, als meine Eltern ihn unter ihre Fittiche nahmen. Er war halb verrückt vor Einsamkeit und sagte, er müsse heiraten, es müsse sein, er halte es so nicht aus. Ein großer, sehr dünner, stotternder junger Mann, der so hart arbeitete, dass mein Vater die Befürchtung äußerte, er würde krank werden. Er hatte mehr Speicher, als ein einzelner Mann beschicken konnte, aber er blieb die halbe Nacht auf, arbeitete ganze Tage durch, wurde immer dünner und dünnhäutiger – und fuhr zu einem Urlaub ans Kap, um den Zusammenbruch zu verhindern. Dort lernte er Vera kennen, die halb englische, halb holländische junge Frau, die bereits mehrere Verlobungen hinter sich hatte. Er heiratete sie vom Fleck weg und brachte sie heim in das große, zwischen Felsen gelegene Steinhaus auf einem kleinen
kopje.
Dort weigerte sie sich, mit ihm zu schlafen. Er kam zu meinen Eltern gefahren, kam wie ein Betrunkener angerast – wir hatten kaum die Staubwolke von seinem Auto über der Straße aufwirbeln sehen, da stand er auch schon vor dem Haus, außer sich, stotternd, die blauen Augen gerötet vom Schlafmangel und vor Anstrengung. Er war so dünn, dass meine Mutter dem Dienstboten befahl, ihm alles, was in der Speisekammer zu finden war, aufzutischen. Aber er musste reden. Vera wollte nicht, wollte einfach nicht mit ihm schlafen – so würde man heute sagen. Er sagte »verkehren«. Sie hasse es, sagte er.
    Vera war eine große, kräftige dunkelhäutige Frau. Jede ihrer Bewegungen war träge, selbstbeherrscht, voll Verachtung. Sie hatte braune Augen, einen schwarzen Bubikopf und trug elegante, klassische Kleider. Sie hatten uns einmal besucht, aber unser Haus war ihr zu schäbig gewesen, deshalb kam Reggie später wieder allein.
    »Sie lässt sich nicht von mir anfassen«, sagte er, und seine Hände ballten sich zu Fäusten, öffneten sich, ballten sich erneut und zitterten. »Sie findet es furchtbar, sagt sie. Ich habe sie gefragt, warum hast du mich dann geheiratet?«
    Wir wussten alle, warum sie ihn geheiratet hatte: Er war ein guter Fang mit seiner eigenen Farm, aber das mochte er sich nicht eingestehen.
    So ging es immer weiter. Er wurde dünner. Sein Stottern wurde schlimmer. Er beschloss, mit Vera nach England zu einem Psychologen zu fahren. Das war damals noch nicht üblich. Er hatte nicht genug Geld, lieh es sich jedoch von der Bank, und sie fuhren los.
    Vera saß im Behandlungszimmer eines Vorgängers der heutigen Beichtväter.
    »Nun, Mrs. B., Ihr Mann sagt, Sie wollen mit mir reden.«
    »Ich will nicht mit Ihnen reden. Er will, dass ich mit Ihnen rede.«
    »Aber Sie waren doch damit einverstanden, zu mir zu kommen?«
    »Ich bin doch da, oder? Und Sie sitzen mir doch gegenüber?« Sie steckte sich träge eine Zigarette an, neigte den Kopf zurück und stieß genüsslich den Rauch aus.
    »Kommen Sie, kommen Sie, Mrs. B., es ist nicht gerecht, wie Sie Ihren Mann behandeln.«
    »Wieso? Ich sorge dafür, dass er anständige Mahlzeiten bekommt. Das Haus ist sauber. Ich werfe kein Geld zum Fenster hinaus.«
    »Aber, Mrs. B., zur Ehe gehört nun einmal auch der Verkehr.«
    »Das begreife ich nicht. Ich mag einfach nicht. Ich habe noch nie etwas dran gefunden.«
    »Hat Ihnen niemals etwas in dieser Beziehung Freude gemacht?«
    »Nein. Ich kann keinen Sinn darin sehen.«
    »Aha. Glauben Sie, dass es Ihnen helfen würde, wenn Sie regelmäßig zu mir kämen, solange Sie in London sind?«
    »Wem soll es helfen?«
    »Wenn Sie so wollen, Ihrem Mann. Haben Sie ihn denn nicht gern?«
    »Ob ich ihn gernhabe?« Sie überlegte. »Ich

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