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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Taten. »Mami, warum …?« »Sei nicht albern, es ist bloß ein Leberfleck.« »Warum hat sie eine
Leber
am Kinn?« »Doch nicht so eine Leber, du dumme Nuss.« Aber wenn der Pickel oder die schweißnassen Achselhaare Teil des menschlichen Körpers sind, ekelt sich das Kind und schreckt stumm und mit Abscheu davor zurück.
    Es ist nicht taktvoll von einer Mutter, ihrer fünfzehnjährigen Tochter das Kleid hochzuziehen, um dem Vater ihre Brüste zu zeigen, aber es ist kaum ein Verbrechen.
    Zur mangelnden Sensibilität kam noch etwas anderes hinzu. Wiederum lange Zeit später freundete ich mich mit einer Therapeutin an, die sich auf Mütter und Töchter spezialisiert hatte. Ihren Worten zufolge kommt es häufig vor, dass sich Mütter so sehr mit ihrer Tochter identifizieren, dass sie kaum den Unterschied zwischen ihrem eigenen Körper und dem des Kindes wahrnehmen. Eine meinte, als man ihr Vorwürfe machte, weil sie ihre Tochter schlug: »Aber es ist doch, als ob ich mich selber schlage.« Eine andere, die ihre Tochter angeschrien hatte, sagte zu der Therapeutin: »Es ist eine Sache zwischen uns beiden,
sie
weiß, warum ich das mache.« Ich will damit nicht andeuten, dass meine Mutter auch nur annähernd so neurotisch war. Trotzdem behandelte sie meinen Leib, als wäre er ihr eigener oder zumindest ihr rechtmäßiges Eigentum. Schließlich hatte sie als Krankenschwester frei über die Körper ihrer Patienten verfügt.
    Als ich mich von ihr zurückzog und meinen Körper schützte, indem ich mich weigerte, mich von ihr anfassen zu lassen, wusste ich, dass ich damit sagte: »Ich lasse mich nicht von euren Krankheiten anstecken, weder von den eingebildeten noch von der Zuckerkrankheit noch von dem vernarbten, jämmerlich eingeschrumpften Stumpf noch vom Krieg, vom Krieg, vom
Krieg –
von den Schützengräben. Ich will
nicht

    »Ich bin kein Kind mehr«, sagte ich zu ihr.
    Ich hatte bei Granny Fisher so zugenommen, dass ich unbedingt wieder abnehmen musste. Heutzutage hätte man mir in den Ohren gelegen, dass ich wohl magersüchtig werden wolle, aber ich verfügte über ausgezeichnete Selbstschutzmechanismen. Es konnte schon sein, dass ich, wie meine Mutter anklagend sagte, »überhaupt nichts mehr« aß, aber ich hatte mir eine gesunde Diät ausgedacht. Ich ernährte mich von Tomaten und Erdnussbutter, nahm rasch ab und war von meinem Körper ganz begeistert, während meine Mutter in Panik geriet. Übertriebene Angst, aber in dieser Geschichte von Mutter und Tochter ist ohnehin wenig, das ein Maß hat oder einen ganz normalen Sinn ergibt.
    Dabei muss ich doch – sicherlich? – haargenau ihren Ansprüchen an Vernunft entsprochen haben. Das gleiche Gefühl für Selbsterhaltung habe ich seither bei Mädchen beobachtet, die in der Tat gefährdet waren. Sie balancieren am Rand des Abgrunds – meine Umschreibung für jene Verhaltensgewohnheit junger Leute, mit der sie Situationen schaffen, in denen sie
beinahe
Schiffbruch erleiden –, und zu gewissem Schaden kommen sie ja auch, und man findet sich mit dem Gedanken ab, dass ein junges Mädchen schwanger werden kann und abtreiben muss oder ein Kind der Liebe bekommen wird oder dass ein Halbwüchsiger im Gefängnis landen wird, doch das Gegenteil tritt ein, es gibt immer wieder Krisen und Sorgen, aber das Mädchen ist heimlich beim Arzt gewesen und hat sich Verhütungsmittel besorgt, und der Junge hat noch eben, bevor es wirklich ernst wurde, von seinen Dummheiten gelassen.
    In einem Winkel des Buschwalds unweit des großen Ackers stand ich mit dem Gewehr in der Hand und blickte plötzlich hinunter auf meine Beine, als sähe ich sie zum ersten Mal, und dachte: Sie sind schön. Braune, schlanke, wohlgeformte Beine. Ich zog mein Kleid hoch und betrachtete mich bis hinauf zum Schlüpfer und war von Stolz auf meinen Körper erfüllt. Es gibt keine größere Wonne als den Moment, in dem ein Mädchen sich bewusst wird, dass
dies ihr
Körper ist und
dieses
ihre schönen, glatten, wohlproportionierten Glieder.
    Ich stand den Mannequins in den Zeitschriften in nichts nach. Aber meine Sachen … Wir hatten kein Geld. Nicht einen Penny. Wir kauften nie etwas, meine Mutter nähte alles selbst. Aber sie nähte mir immer noch Kleider für kleine Mädchen, und ich musste den ganzen Tag mit ansehen, wie sie mit traurigen Augen meine neue Schlankheit, meinen neuen Körper verurteilte.
    Ich brachte mir selber das Nähen auf der Maschine bei, aber wir hatten kein Geld für Stoff.

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