Unter der Haut (German Edition)
muss ihn gerngehabt haben, nicht? Ich habe ihn geheiratet.«
Reginald wurde mitgeteilt, dass die Behandlung Zeit- und Geldverschwendung sei, mit Vera sei nichts zu machen, weil sie sich nicht zu ändern wünsche.
Vera verkündete, dass sie den Urlaub in England genossen habe, sie habe immer schon die alte Heimat sehen wollen.
Sie hatten zwei wunderhübsche Kinder. Das eine war ein kleines Mädchen, das ich voll Sehnsucht und Pein mit Liebe überschüttete.
»Die zwei Mal, die wir miteinander geschlafen haben, ist sie schwanger geworden«, sagte Reggie mit einem gezwungenen Grinsen. »Sie wollte Kinder haben. Sie hat sie bekommen. Und jetzt – ist auch das erledigt.«
Reggie wurde ein sehr wohlhabender Tabakfarmer. Als ich schon lange in England war, besuchten mich Leute aus dem Distrikt. Sie erzählten, dass Reggie furchtbar hart mit den Schwarzen umspringe, es sei ein Wunder, dass sie ihn nicht umbrächten. Verdient habe er es. Er hasste sie. Sie hassten ihn. Zu dem Zeitpunkt war er bereits von Vera geschieden. Sie war wieder ans Kap gegangen, wo sie allein lebte und trank.
Ich habe einen kleinen, fleckigen Schnappschuss von Vera, auf dem sie an dem alten Chevy lehnt. Sie trägt ein Kleid der späten zwanziger Jahre, das die Knie frei lässt. Eine Hüfte ist träge, aufreizend vorgestreckt. Sie raucht mit einer sehr langen Zigarettenspitze und lächelt ruhig, voll Selbstvertrauen in die Kamera.
Das böse Weib, die schlechte Ehefrau.
Neben ihr steht die Frau eines Farmers von der anderen Seite des Flusses. Sie ist eine mollige, lustige junge Person, die vergnügt lächelt. Alle liebten sie, keiner mochte Vera. Aber auch sie ist ein böses Weib gewesen und eine schlechte Ehefrau, denn wo Vera sich weigerte, überhaupt mit jemandem zu schlafen, nicht einmal mit ihrem Ehemann, da schlief sie nicht nur mit ihrem eigenen, sondern auch mit anderen Männern. Sie wurde wie Vera später geschieden und lebte am Kap. Die beiden Kinder von Vera und Reggie wuchsen gesund heran, und so muss die Evolution (oder die Natur oder die Lebenskraft), die für das Elend dieser Ehe nur Gleichmut übrig hatte, es zufrieden gewesen sein. Wenn jemand Reggie gewarnt hätte – selbst meine Eltern, deren Rat er so schätzte, dass er bisweilen zwei-, dreimal die Woche zu ihnen fuhr –: »Heirate sie nicht. Hast du denn keine Augen im Kopf?«, hätte er lauthals gelacht und stotternd geschworen, dass er sie liebe.
Betty – oder Franny oder Jamie –, hier bei Granny Fisher, konnte sich nicht an einen Verandapfosten lehnen oder sich nach einem Stück rosa Seide bücken, das sie aus Versehen hatte fallen lassen, ohne träge mit der Hüfte zu wackeln oder ein Stück Bein zu zeigen und ein Lächeln, das der Welt sagte, dass sie nie und nimmer jemandem auch nur ein Gramm mehr von sich geben würde als unbedingt nötig – und dass sie darauf auch noch stolz war. Sie saß neben ihrem Stapel Seide, Satinstoffen und kaffeefarbenen Spitzen, blickte zu ihrem Liebhaber, der soeben verstaubt und erschöpft aus Umtali eingetroffen war, und sagte lachend: »Warum bist du denn heute Nacht nicht in Umtali geblieben? Meinetwegen bräuchtest du bestimmt nicht jeden Abend hochgefahren zu kommen.«
Dann sein Gesicht, bleich, verstört, in den Augen ein Funkeln und Flehen, während er stammelte: »Aber, Sch-Sch-Schatz, aber mein Schatz …«
»Ach, lass gut sein!« Und sie lächelte ihn auf eine Weise an, dass mir weich ums Herz und schwindelig wurde, und ihm erst recht, als hätte sie ihm etwas verziehen. Aber was bloß?
»Sie ist ein gewöhnliches kleines Biest«, sagte Granny Fisher, »aber man kann einem Blinden nicht die Augen öffnen.«
Ich verbrachte viele Stunden mit ihr zusammen. Sie hatte mich gern um sich, das arme, unbeholfene, eifrige, von ihrer Eleganz geblendete junge Mädchen. In England war sie Sekretärin gewesen, dann jedoch in die Kolonie gegangen, um sich einen besseren Mann zu angeln, als sie daheim hätte bekommen können.
Sie heirateten bald. Später ließen sie sich wieder scheiden. Frauen mit dieser Art träger Sexualität, die sich hauptsächlich an Geld orientiert, enden allein, allerdings zumeist gut versorgt.
Für mich ist Granny Fisher eine meiner verpassten Gelegenheiten. Von ihr hätte ich – mehr als von jedem anderen Menschen – etwas über ein Südafrika lernen können, von dem nichts in den Geschichtsbüchern steht. Keine Frau hätte mir mehr erzählen können, und Männer haben eine andere Geschichte.
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