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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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erkennen. Erstens an seinem Hass gegen die Schwarzen und die Farbigen und dann an der stets lauernden Angst in seinem Blick. Er fuhr das Auto, pflegte es, machte Botengänge, kaufte ein und erfüllte noch etliche andere Aufgaben. Er war wie ein Sohn, nur respektvoller, auf die lässige südafrikanische Art, und hielt ständig Ausschau nach allem, was zu erledigen war. Wenn wir ausfuhren, dann ging es durch die reichen Vororte, in denen alle Häuser einander ähnelten. Oder zu den teuren, exklusiven Geschäften.
    Man beschloss, dass es mir gut bekommen würde, eine Woche lang in einem eleganten Modegeschäft zu arbeiten. Es war in der Tat lehrreich. Den ganzen Tag über kamen reiche Frauen ins Geschäft, ließen sich nieder und begutachteten mit unzufriedener Miene Kostüme und Kleider, die ihnen gezeigt wurden. Nicht von mir, denn ich war nur als Assistentin der Chefverkäuferin eingestellt. Meistens kauften sie nichts, aber das Geschäft war immer voll von Frauen, die sich den neuesten Klatsch erzählten. Etliche Jahre später lernte ich Frauen kennen, die als verheiratete Frauen in Johannesburg gelebt hatten, aber den Menschen und der Stadt entflohen und nach London gegangen waren. Diese Frauen waren von Langeweile gezeichnet, bis an den Rand der Verdrossenheit und der Hysterie, überdrüssig ihrer kleinen Welt, die von außen wirkte wie ein Gefängnis oder ein teures Internat. Sie kannten nur ihresgleichen, trafen sich täglich auf Partys und Wohltätigkeitsveranstaltungen, gingen zu denselben Wahrsagerinnen. Und bald darauf zu denselben indischen Gurus und in dieselben Umweltschutzvereine. Ich fand die Kleider schrecklich. Es war das Leben, für das sie kreiert wurden, das ich schrecklich fand. Ich sagte zu Mrs. Griffiths – wohlerzogene Kinder sprachen Erwachsene damals nicht mit dem Vornamen an –, ich glaubte nicht, dass dieses Geschäft gut für mich sei, jedenfalls nicht, wenn es darum gehe, meinen Charakter zu formen: Ich würde dort nur böse und gehässig. Das war Tiggers Art, sich auszudrücken. Aber Mrs. Griffiths war eine Frau, die nur selten lachte.
    In Johannesburg fand gerade eine Messe statt. Vom Besuch dort versprach man sich für mich ein Bildungserlebnis. Diese Messe war auf jeden Fall imposant, mit den gigantischen, protzigen Pavillons, der Grellheit und den Unmengen von Menschen, den vielen Weißen vom Lande, fein gemacht mit ihren Sonntagskleidern, eingeschüchtert von so viel Bombast, und den Afrikanern, unzähligen Afrikanern, die ganz anders waren als alle mir bis dahin bekannten, wacher, selbstbewusster, besser angezogen, aggressiv nahmen sie die ausgestellten, nicht für sie gedachten Waren und Zukunftschancen genau unter die Lupe. Stanley bemerkte, dass die Kaffern frecher würden und mal wieder eine tüchtige Tracht Prügel bräuchten: Zumindest das war ganz wie zu Hause.
    Ich ging ins Filmtheater, das prächtiger ausgestattet war als das in Salisbury. Draußen leuchteten die Filmtitel als Lichtreklame, und drinnen trugen die Leute Cocktailkleider und waren mit Schmuck behängt.
    Dann und wann wurde Stanley gebeten, uns zum Morgen- oder Nachmittagstee in ein bestimmtes, hochelegantes Teehaus zu fahren. Und wieder Frauen, Frauen, Frauen, die plauderten und mit ihren goldenen Ketten und Armbändern klimperten. »Gold kann man nie zu viel tragen!« Das war die Stimme Johannesburgs.
    Mein Besuch »im Süden« war der Eintritt in eine Welt der gelangweilten und unglücklichen Frauen. Außer bei einer Gelegenheit, als Stanley, der den Auftrag hatte, mich durch die Gegend zu kutschieren, um mir die Sehenswürdigkeiten zu zeigen, mit mir den reichen Vorort verließ und durch zunehmend ärmere Straßen fuhr, bis wir in eine Straße kamen, die aussah wie die Straßen von Salisbury zur Zeit der Stadtgründung. Durch solche Straße sind in tausend Western – zum Gejohle der Cowboys – die Planwagen geklappert. An so einer Straße lehnen in den kleinen Städten der Anden Indios an den Hauswänden, kauen Kokablätter und begaffen die Touristen. Am Stadtrand von Los Angeles führt eine solche Straße an Flipperautomaten und mexikanischen Imbissstuben vorbei in einen Canyon und verliert sich im Nichts. Hier, in Johannesburg, war sie vor vierzig Jahren breit genug gebaut worden, dass die Planwagen wenden konnten. Sie wurde gesäumt von einstöckigen Gebäuden – ein Kino, eine chinesische Wäscherei, ein Tanzsaal, billige Esslokale und Kneipen, dazwischen winzige, baufällige Häuser. Man

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