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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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vergangenen Krieg zu führen und nicht den anstehenden.
    Eine Frage: Bemühte sich in Russland, in Deutschland und in Japan, wo es tatsächlich Millionen Tote geben würde, die Natur noch mehr darum (oder der Zeitgeist), die Mädchen mit fairen oder unfairen Mitteln weichzuklopfen, auf dass ihr Verstand und ihre Gebärmutter zur Zusammenarbeit bereit seien?
    Eine Romanhandlung, eine der zehn elementaren Handlungen: Junge Frau oder junger Mann, benachteiligt, kommt in die große Stadt. Nach Irrungen und Wirrungen findet er einen Gönner, sie einen Ehemann. Ich fand einen Mann, Frank Wisdom, einen Staatsbeamten. Ich liebte ihn nicht, obwohl es, im Rausch dieser Zeit, leicht war, sich das einzubilden. Er liebte mich nicht. Er war sogar verlobt mit einer jungen Frau in England, wo er ein Jahr zuvor Urlaub gemacht hatte. Ich könnte mich herausreden, indem ich sagte, dass er zehn Jahre älter war als ich und die andere erst erwähnte, als es schon zu spät war. Aber darum geht es nicht, sondern um die ruhige Rücksichtslosigkeit, mit der ich ihren Platz einnahm. Es handelt sich um elementare weibliche Rücksichtslosigkeit, weibliche Reuelosigkeit, und sie stammt aus einer Zeit weit vor dem Christentum und anderen Milderern unzivilisierter Moral.
Es ist mein Recht.
Wenn ich diese Kreatur in mir oder anderen Frauen habe zutage treten sehen, hat sie mir immer Ehrfurcht eingeflößt.
    Wenn ich mich einerseits im allgemeinen Taumel der Erregung befand, so war ich andererseits insgeheim unglücklich. Der Sog, das Gefühl, mitgeschleppt oder vorwärtsgeschleudert zu werden, nicht ich selber zu sein, längst die Gewalt über mein Leben verloren zu haben, war eine der mächtigsten Emotionen, die ich je erlebt habe. Emotion? – Nein, es war Emotionslosigkeit. Vielleicht vergleichbar mit der Taubheit, eine Form von Anästhesie, die jemanden überkommt, der von einem Löwen gefressen wird.
    Meine Eltern waren verständlicherweise überrascht, als ich mit Frank auf der Farm aufkreuzte, nachdem ich vorher jahrelang verkündet hatte, dass ich nicht die Absicht hätte, zu heiraten oder Kinder zu bekommen, die mich ans Haus binden würden, jedenfalls noch lange nicht, vielleicht auch nie.
    Aber sie waren erleichtert, weil Frank ihrer Vorstellung von einem passenden Ehemann so nahe kam, wie es in der Kolonie möglich war: Die Ärzte, Anwälte oder Militärs, die sich meine Mutter für mich wünschte, lebten alle in England. Mein Vater ging selbstverständlich davon aus, dass ich schwanger war. Er hatte recht, aber ich wusste es selbst noch nicht. »Mir kann so was nicht passieren.« Junge Frauen glauben, dass es ihnen nicht passiert. Es gibt eine Blockade zwischen der Vorstellung von sich selbst in diesem jungen, starken Körper (in dem sich jede Zelle stumm der Aufgabe widmet, schwanger zu werden und ein Kind auszutragen), einem Körper, der einem, wie man glaubt, ganz
allein
gehört, und dem Wissen, dem tatsächlichen Wissen darum, wie leicht man schwanger werden kann. Auf ähnliche Weise kann man Tag und Nacht bei einem oder einer Sterbenden sitzen und sich noch so Mühe geben, aber das lebendige Bewusstsein, das Wissen um den Tod, wie ihn dieser oder diese Sterbende – diese Freundin, dieser Freund, der kaum einen Meter weit entfernt ist – erlebt, bleibt unerreichbar, man kann nicht daran teilhaben.
    Wenn mein Vater mir – mit der weisen männlichen Autorität, die mich mehr als einmal gerettet hatte – gesagt hätte: »Du machst einen Fehler. Es wird dir leidtun. Und du bist viel zu jung und unerfahren«, wäre ich insgeheim erleichtert gewesen.
    Aber tatsächlich passten wir, zumindest in dieser Phase, recht gut zueinander. Zum einen mussten wir beide unsere ketzerischen Gedanken zum Eingeborenenproblem geheim halten. Wir waren beide Abonnenten des
New Statesman
, der von den weißen Bürgern der Kolonie als eine Art kommunistisches Manifest angesehen wurde. Wir waren beide rational und unreligiös, vielleicht sollte ich eher sagen antireligiös. Es fällt heute schwer, genau die richtige Färbung oder Nuance der Denkweise zu finden, der wir unsere Überzeugung verdankten, denn sie hatte mit so etwas wie »Wissenschaft statt Religion« nichts zu tun, das Ganze war eher eine Frage persönlicher Integrität. Wir trugen unseren Atheismus beziehungsweise unseren Agnostizismus (über die feinen Unterschiede konnten wir stundenlang debattieren) wie religiöse Orden. Als Teil einer Minderheit fühlten wir uns verwandt, vertraut;

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