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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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glaubten wir aus dem gleichen Stoff zu sein, das gleiche Wesen zu haben, weil wir die gleichen sarkastischen Bemerkungen über eine Karikatur in der Zeitung machen oder ironische Blicke über eine »reaktionäre« Äußerung wechseln konnten. Und wir waren uns charakterlich ähnlich, hatten gemeinsame Verhaltensweisen, eine ähnliche Art, uns darzustellen – einen verwandten Stil vielleicht –, sachlich nüchtern, praktisch, ungeduldig, wenn sich uns Hindernisse in den Weg stellten. Im Grunde hatten wir das Zutrauen junger Leute, die seit Kurzem wissen, dass sie mit den Tücken des Erwachsenenlebens fertig werden, was die meisten von uns anfangs insgeheim bezweifeln.
    Es fand eine formlose, wenig feierliche Hochzeit statt, die ich schrecklich fand. Ich weiß noch genau, wie ich mich fühlte, das ist keine Frage erfinderischer Erinnerung. Auf den Hochzeitsbildern sehe ich aus wie eine fröhliche junge Matrone. Es war »Tigger«, die da geheiratet hat.
    Unsere Hochzeitsreise machten wir nach Beira. Die Rugbymannschaft des Sports Club spielte gegen die Mannschaft von Portugiesisch-Ostafrika. Ein jung verheiratetes Paar fuhr mit uns, Joyce und Bill Blair: Sie hatten uns gewissermaßen verkuppelt. Sie erschienen mir weltgewandt und kultiviert. Joyce war aus Singapur, ausgesprochen schick und elegant. Wir fuhren im Auto nach Beira, schnell, angetrunken, in halsbrecherischem Tempo – von Umtali an war die Straße nur eine unbefestigte Piste durch den Busch. Wir sahen Elefanten und hielten an, um unsere Begeisterung mit ihnen zu teilen. Zum Glück interessierten sie sich nicht für uns. Beira war eine Stadt mit von Feuerbäumen gesäumten Sandstraßen und eingeschossigen Häusern und Geschäften, zumeist mit indischen Besitzern.
    Wir wurden von portugiesischen Freunden der Blairs zu einem Mittagessen eingeladen, das um eins anfing und bis fünf oder sechs Uhr nachmittags dauerte – es gab lauter mir vollkommen unbekannte Speisen. Bei Sonnenuntergang gingen wir betrunken im warmen, trüben Meer schwimmen und anschließend ins Hotel, einen weitläufigen Pfahlbau im Meer, wo wir weitertranken und von Stechmücken und Schnaken geplagt wurden. Das Hotel und die gesamte Stadt waren voller rhodesischer Rugbyspieler und ihrer Anhänger, die Rugbylieder sangen und rassistische Witze über die Portugiesen machten. Sie kletterten auf Straßenlaternen, warfen hier und da eine Statue um, benahmen sich wie Flegel. Was sie auch waren. Allerdings wurde nichts anderes von ihnen erwartet, und man billigte es sogar.
    Ich erlebte aber auch kultivierte Sitten. Beim Tanzabend für die Rugbyspieler saß ich in der Nähe einer jungen Portugiesin und bewunderte plaudernd ihr Abendtäschchen, einen Beutel aus goldenen und roten Pailletten. Sie schenkte ihn mir sofort. Ich war bestürzt, weil ich wusste, dass sie arm war. Aber es gab kein Zurück. Man erklärte mir, es gebe Gesellschaften, in denen man demjenigen, der etwas bewundert, auf jeden Fall ein Geschenk macht, sodass man vorsichtig sein müsse, wofür man Bewunderung äußere. Portugal sei von den Mauren kolonisiert worden, und diese hätten dort die ritterlichen Sitten Arabiens eingeführt. Ich behielt das Täschchen jahrelang wie einen Talisman, und wenn ich es an seinem Platz unten in einer Schublade fand, dachte ich jedes Mal daran, dass es Orte auf der Welt gibt, wo die Großmut des Herzens regiert.
    Wir fuhren, wieder zu viert, die ganze Nacht durch die Wälder von Portugiesisch-Ostafrika über Umtali zurück nach Salisbury, wo wir gerade so rechtzeitig ankamen, dass die Männer pünktlich in ihren Büros eintrafen, verkatert, ungewaschen, hungrig und nach Bier stinkend.
    Mir war klar gewesen, dass ich einen der Jungs, einen aus der Clique geheiratet hatte, aber jetzt kam es mir vor, als feierte die ganze Stadt nicht nur unsere Hochzeit, sondern auch jede Menge andere, denn jeden Tag erschien ein weiteres Paar schüchtern auf der Veranda des Sports Club, von der Liebe überrascht, während alle Anwesenden in lauten Jubel ausbrachen und nach einer Runde Getränke riefen.
    Wir lebten in einer kleinen Wohnung, die Freunden von Frank gehörte, einem Paar mittleren Alters, die eine Reihe von Grundstücken in den eher verrufenen Stadtteilen besaßen, und die ihre Bar oder ihr Pub führten, als wären sie nie aus England fortgegangen. Sie waren beide klein und stämmig, mit ziemlich struppigen blonden Haaren, kräftig roten Wangen und kleinen blauen Augen. Sie beobachteten mich scharf

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