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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Grinsen durch die Menge ging. Endlich kam ein junger Mann widerwillig auf mich zu und sagte gleich, dass er sehr beschäftigt sei. Ich sagte, Frank Wisdom habe mich geschickt, ich sei Franks Frau, und Frank habe gesagt, dass er, als Freund von Frank – er wisse doch noch, vom Spiel letztes Jahr? –, mir vielleicht sagen könne, wo ich jemanden finden könne, der eine Abtreibung mache. Er entgegnete, dass er nicht verstehe, wieso Frank glaube … Aber vielleicht rührte ihn die verzweifelte Hilflosigkeit dieser neunzehnjährigen Ehefrau, die sich an ihrer Handtasche festhielt, und er sagte freundlich, ohne Kichern, dass er sich erkundigen und mir eine Nachricht ins Hotel bringen wolle.
    In einem schmuddeligen Zimmer mit Möbeln, wie sie heute nirgends mehr zu finden wären, so dick lackiert, dass sie aussahen, als wären sie aus frischem Toffee, saß ich am Fenster und wartete auf den Anruf. Außerdem hörte ich am Ende der Straße eine Kundgebung der Ossewa Brandwag (eine Naziorganisation), die dazu aufrief, sich dagegen zu wehren, dass die südafrikanische Regierung sich im kommenden Krieg auf die Seite Englands und Amerikas schlüge. An der Rezeption wurde für mich eine Nachricht hinterlegt. Ich solle mich da und da melden. Am nächsten Morgen fand ich mich in einem noch schmuddeligeren Gebäude wieder, wo ich mit mehreren anderen Frauen warten musste, bis ich an der Reihe war. Schließlich kam ich in ein Zimmer, in dem eine Farbige am Schreibtisch saß und mich mit scharfen feindseligen, kleinen Augen musterte. Mein Anblick gefiel ihr überhaupt nicht.
    »Sie wünschen?«
    »Man hat mir gesagt, dass Sie Abtreibungen machen.«
    Sie kreischte auf der Stelle los, schimpfte und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. Wie könne ich es wagen, woher ich diese elende Lüge habe, sie sei eine ehrliche Ärztin, sie würde nie, niemals … und so weiter. Erst später ging mir auf, dass die Tür zu einem Zimmer offen stand, in dem eine Krankenschwester saß. Oder vielleicht hielt sie mich für eine Spionin der Regierung. Ich stand eine Minute später weinend auf der Straße und konnte sie drinnen noch schreien und schimpfen hören. Ich weiß nicht mehr, wie ich an die Adresse eines richtigen Arztes gekommen bin, der Abtreibungen machte, aber bald stand ich wieder in einem schäbigen Zimmer in einem heruntergekommenen Haus in dem Stadtteil, wo ich zugesehen hatte, wie Stanley sein Chauffeursgehalt verspielte. Aus allen Teilen des Hauses dröhnte laute Tanzmusik.
    Do you want to be better off than you are
    Carry moonbeams home in a jar …
    Dieses Haus habe ich in einer Kurzgeschichte,
Der Weg in die große Stadt
, verwandt.
    Der Arzt war jung oder, sagen wir, ziemlich jung. Er sah aus, als würde er von innen zerfressen; dieser Anblick war mir durch die Veteranen im Sports Club wohlvertraut. Er war freundlich. Er war betrunken. Er hatte viele Freunde da, und alle unterhielten sich angeregt, sangen und tanzten, verbrachten einen schönen Abend. Eine Frau führte mich in die Küche und sagte, ich solle von diesem Mann keine Abtreibung vornehmen lassen. Er sei ein Freund von ihr, er sei ein guter Kerl, aber man habe ihm die Lizenz entzogen, weil er bei einer Operation betrunken gewesen sei. Wenn mir mein Unterleib lieb sei, solle ich mich jetzt bei ihm bedanken und sagen, ich hätte es mir anders überlegt. Das tat ich. Er war reuig, trocken und großzügig; er muss gewusst haben, dass ich gewarnt worden war, und zwar von einer Freundin. Und dann saß ich wieder in meinem Hotelzimmer und beobachtete aus dem Fenster die Gruppen junger Männer mit ihren Mädchen vor dem Kino, den Tanzlokalen und den Spielhallen.
    Und dann kam ein Anruf von Mabel Griffiths, die mir von ihrem Mann bestellte, dass mich niemand unter Druck setzen wolle, sie aber vorschlagen wollten, dass ich zu einem bestimmten Arzt ginge, und zwar zu ihrem. Ich könne ihm bedingungslos vertrauen.
    Ich kam in ein helles, sauberes, professionelles Beratungszimmer und saß einem ernsten Mann gegenüber, der mich untersuchte und mir sagte, dass mir offensichtlich nicht klar sei, dass ich bereits im fünften Monat sei. Er zeigte mir die Figur eines schlanken Mädchens beim Kopfsprung auf seinem Schreibtisch. »So groß ist es«, sagte er und schob die Figur sanft in meine Richtung. Ich merkte, dass ich bewusst beeinflusst wurde, und ich empörte mich darüber mit dem Teil meiner Person, der so leicht überschäumte, wusste aber gleichzeitig, dass alles vorbei

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