Unter der Haut (German Edition)
und wachsam, ohne sich jedoch ein Urteil zu erlauben. Sie gaben mir Ratschläge, wie ich eine gute Ehefrau sein konnte beziehungsweise wie ich mich Frank am besten anpasste.
Als wir einen Tisch aus einheimischem Holz kauften, stand die Frau neben mir, während ich ihn mit Leinöl einrieb und polierte. »Du wirst an dem schönen Holz keine Freude haben, wenn du es nicht ordentlich wienerst, mein Kind.« Und als Frank Soldatenstiefel kaufte, weil er wie jeder junge Mann im Land an nichts anderes dachte als daran, wie er möglichst schnell zum Militär kommen konnte, auch wenn von einer Mobilmachung noch nicht einmal die Rede war, zwängte sie sich seufzend mit ihrem ganzen Gewicht in einen Sessel, um mir zuzusehen, wie ich die Stiefel mit den Händen weich knetete. »Du weißt, meine Süße, dass du nicht böse sein darfst, wenn die viele Arbeit, die du da reinsteckst, nicht entsprechend belohnt wird.« So warnte sie mich, während sie Frank hänselte: »Was du wohl mit deinen Füßen machst, wenn ihr marschiert, Frankie Boy? In der Armee müsst ihr eure Füße benutzen. Bei einem Rugbyspiel darfst du ausfallen, aber bei der Armee gibt es das nicht.« Darauf er: »Ach, komm, lass mich in Ruhe, sei nicht so. Diese Stiefel gehen mit mir durch dick und dünn.«
Dickes Leder wildlederweich kneten, eine Tischplatte polieren, bis sich das eigene Gesicht darin spiegelt – man sollte meinen, dass mich dieser eheliche Pflichteifer ganz in Anspruch genommen hätte, aber ich träumte trotzdem unablässig von Flucht, nicht um Frank zu entkommen, dem ich herzlich zugetan war, sondern einem Leben, das ich mit jedem Tag kritischer betrachtete. Es war noch nicht zu spät, um nach England zu fahren und in den Krieg zu ziehen. Solche Frauen gab es doch, nicht wahr? Ich konnte doch schießen? Ich war doch zäh? Auf jeden Fall besser in Form als Frank, der mit den Folgen des jahrelangen Alkoholkonsums zu kämpfen hatte.
Seine Lebensgeschichte war damals nichts Außergewöhnliches. Seine Eltern kamen von Australien nach Südrhodesien, um hier ihr Glück zu machen. Sie arbeiteten als Farmer und Goldsucher. Sie hatten drei Kinder. Frank, sein Bruder George und seine Schwester Mary durchlebten eine wechselhafte Kindheit. Als Frank fünfzehn war, gab es wenig Geld in der Familie. Er ging von der Schule ab und trat in den öffentlichen Dienst ein, wie es damals noch möglich war, wenn man die entsprechenden Prüfungen bestand. Das hatte er im Abendstudium geschafft. Er hatte in möblierten Zimmern gewohnt und jeden Pfennig umgedreht. In seiner ersten Dienststelle lernte er Dolly Van der Byl kennen, die ein paar Jahre älter war als er, und sie freundete sich mit ihm an, weihte den armen Jungen vom Lande in die Welt der Stadt ein, sagte ihm, er müsse sich besser ernähren und weniger trinken. Er sagte oft, wie viel er ihr verdanke, wie gut sie zu ihm gewesen sei.
Während ich davon träumte, aus dem Land zu fliehen, für Frank kochte, tanzen ging und mich mit Freunden zu Drinks bei Sonnenuntergang traf, dämmerte es mir allmählich, dass ich schwanger war. Einige der Älteren hatten es schon seit Wochen gewusst, auf ihre Andeutungen hin lachte ich nur. Mein Arzt sagte, nein, Abtreibungen mache er nicht, und gesunde junge Frauen sollten ihre Kinder kriegen, wenn sie jung seien. So habe die Natur es vorgesehen. Heutzutage glaube ich, dass eine Menge für diese Sicht der Dinge spricht.
Wir gingen beide selbstverständlich davon aus, dass wir eine Abtreibung wollten. Die Jungs und Mädchen aus dem Sports Club waren einhellig der Ansicht, es sei verantwortungslos, Kinder zu bekommen, die Welt sei zu gefährlich, zu unsicher. Frauen, die eine Abtreibung wollten, fuhren in den Süden, nach Johannesburg. Aber Frank kannte in Johannesburg niemanden außer einem Medizinstudenten, gegen den er mal Rugby gespielt hatte. Ich setzte mich in den Zug nach Johannesburg, sechs Leute im Abteil, zweite Klasse, eine Fahrkarte mit Beamtenrabatt. Ich suchte mir ein billiges Hotel und nahm ein Taxi zur medizinischen Fakultät. Es war Mittagspause, und ich wurde, wie mir schien, von Hunderten von ausschließlich männlichen Studenten angestarrt. Im Bemühen um großstädtische Eleganz trug ich ein schickes Kleid, einen glänzenden schwarzen Strohhut und dazu eine neue schwarze Handtasche, in der so wenig Geld war, dass ich nicht wusste, wovon ich das Essen bezahlen sollte. Ich fragte einen der jungen Männer, ob ich »Soundso« sprechen könne, und sah, wie ein
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