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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Macht über ihren Tommy. Sie brach jedes Mal in Tränen aus, wenn sie ein Bürozimmer betrat, und verkündete mit geröteten Augen: »Ich komme ohne meinen Tommy nicht zurecht.« Man erinnerte sich, dass Tom (wie Frank) nicht mehr der Jüngste war, und versprach, seinen Namen von der Einberufungsliste zu streichen. Unterdessen hing sie wie ein Klette an ihm und wirkte immer hilfloser. Keine von uns Freundinnen nahm ihr das ab, aber wir hatten unrecht. Sie war noch dünner als sonst und trug nur einen kleinen, kugeligen Schwangerschaftsbauch vor sich her, ihre Haare waren stumpf und strähnig, und sie rauchte Tag und Nacht. Wehklagen nach dem Motto »Wer will schon eine Frau sein« traten an die Stelle unseres freundschaftlichen Schweigens, und es war nicht mehr tröstlich, mit ihr zusammen zu sein.
    Ich war zu Triumphen und großen Leistungen aufgelegt und freute mich auf die Geburt. Ich glaubte nicht, dass es so wehtun würde, wie alle sagten, weil es mir so gut ging und ich mich so wohl in meiner Haut fühlte.
    Meine gynäkologische Geschichte könnte die jener sagenumwobenen Bauersfrau sein, bei der alles immer reibungslos verläuft. Ich bekam meine erste Regel mit vierzehn. Meine Regel dauerte zwei bis drei Tage und war nie besonders heftig. Manchmal hatte ich leichte Schmerzen. Prämenstruelle Spannungen waren damals noch unbekannt. Ich habe drei normale Geburten erlebt, ohne je zu reißen und genäht werden zu müssen, Zangengeburten zu haben oder Kaiserschnitte zu brauchen. Ich habe nie Pilzkrankheiten oder Herpes bekommen. Meine Regel verabschiedete sich, als ich Anfang vierzig war, wie häufig bei Frauen, die rauchen. Die gefürchteten Wechseljahre fielen aus: Meine Regel hörte auf, und das war’s. Ich glaube, besser hätte es mir gar nicht gehen können. Den Frauen mit einer solchen Geschichte – und das sind gar nicht so wenige von uns – werden bisweilen Schuldgefühle eingeimpft, als wären Unterleibsprobleme das wahre Los der Frauen.
    Ich sage das, damit junge Frauen davon profitieren können, denn derzeit wird ausschließlich Propaganda für das Leiden am Frausein gemacht, das weibliche Leben als Hindernislauf voller Fallen und Gefahren dargestellt, der mit den Wechseljahren in einer Katastrophe gipfelt. Es gibt beinahe so etwas wie einen Geheimbund der Frauen, die die Wechseljahre ohne Beschwerden hinter sich gebracht haben, und zwar ohne Medikamente, aber das wagen die kaum laut zu sagen, weil ihre Schwestern sie der Lüge bezichtigen oder behaupten werden, dass sie sie schmählich im Stich lassen.
    Was ich aber sagen will, und ich walze es nur so aus, weil ich es für wichtig halte, ist Folgendes: Als ich mich – und meine Generation mit mir – auf mein Leben als Frau vorbereitete, taten wir das nicht voller Angst und schlimmer Vorahnungen. Wir waren zuversichtlich und hatten das Gefühl, unser Schicksal in die Hand nehmen zu können. Wir wurden nicht von Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen oder Frauenzeitschriften mit düsteren Meldungen bombardiert. Wir – das heißt wir Menschen – wissen heute, dass wir empfänglich sind für Erwartungen, die an uns gestellt werden. Informationen werden normalerweise in der Schule vermittelt, aber sie haben weitreichendere, ja allgemeine Wirkung. Wenn den Mädchen von klein auf gesagt wird, dass sie mit jeder Menge Leiden zu rechnen haben, von prämenstruellen Spannungen bis hin zu Depressionen in den Wechseljahren, kann es dann nicht sein, dass sie diese Leiden regelrecht anziehen? Während wir, die wir zum Beispiel nie vom sogenannten prämenstruellen Syndrom gehört haben, wahrscheinlich bloß sagen würden: Mist, ich bin so gereizt, ich krieg wohl meine Tage. Fördert es die Veranlagung zu Brust- und Gebärmutterkrebs, wenn man sich jahrelang insgeheim davor fürchtet? Das ist eine Frage, keine Aussage.
    Der Energieschub, der die nahende Geburt ankündigt, gab mir immer mehr Auftrieb, bis zu meiner Aufnahme in der Lady-Chancellor-Entbindungsklinik, wo wahrscheinlich fast alle Kinder Südrhodesiens geboren wurden – natürlich nur die weißen. Es war ein großes Haus in der North Avenue, das zu beiden Seiten des Eingangs mehrere Zimmer hatte und lange Gänge, von denen weitere Zimmer abgingen. Außerdem gab es eine Veranda, die den Innenhof umschloss, und einen langen Raum, in dem die Babys lagen, weit entfernt von ihren Müttern.
    Ich wurde von einer sehr jungen Krankenschwester begrüßt, die verkündete, dass an jenem Abend zu viele Kinder

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