Unter der Haut (German Edition)
gutes Recht gewesen sei, mit Eifersucht auf Dolly zu reagieren, aber ich war nicht einmal in meinen unehrlichsten Momenten versucht, mich dieser Rechtfertigung zu bedienen. Zum einen war ich auf Frank nie eifersüchtig. Ein Mann, dessen Frau nie eifersüchtig ist, hat guten Grund, gekränkt zu sein, aber nur in bestimmten Arten von Ehen. In einer lockeren, kameradschaftlichen Ehe war kein Platz für Eifersucht. Jedenfalls nicht in der Ehe, wie wir sie geführt hatten. Jetzt machte Frank mir plötzlich Szenen und schmollte und wäre vielleicht froh gewesen, wenn ich ihm auch Szenen gemacht hätte. Diese Veränderung unseres emotionalen Gleichgewichts verwirrte mich. Plötzlich beschuldigte er mich, dass ich flirtete. Dabei verhielt ich mich nicht anders als sonst und sagte ihm, dass er unfair sei. Nicht zum ersten Mal fragte sich eine junge Frau bitter: Wozu hat er mich dann geheiratet? Was er kritisiert, ist meine Persönlichkeit, mein Wesen. Ich war immer offen, geradeheraus, ehrlich bis zur Taktlosigkeit, um nicht zu sagen Aggressivität. So war ich von Natur aus. So war mein Stil, spontane Vertrautheit mit jedem, ganz im Trend der modernen Zeit. Alles, was hinter vollkommener Offenheit jedem gegenüber zurückbleibt, ist ein Verrat an der Ehrlichkeit, an der Freundschaft. Aber was hatte das mit Flirten zu tun? Ich blieb
maßvoll.
Unter dem Druck seiner ständigen Kritik kam ich auf die Idee, dass ich mich rächen konnte, indem ich ihm vorwarf, dass seine kameradschaftliche Vertrautheit mit den Mädchen und Frauen im Club nur daher rührte, dass er sie alle seit vielen Jahren vom Knutschen und Streicheln auf dem Autorücksitz kannte. Aber schon bei dem Gedanken daran kam ich mir lächerlich vor. Warum kam Frank sich nicht lächerlich vor, wenn er mich mit seinen belanglosen Anklagen überhäufte? Belanglosigkeit: Ich rutschte immer tiefer hinab. Und was Dolly anging, so fühlte ich mich zwar in der Tat schnöde behandelt und ausgeschlossen, wenn sie und Frank stundenlang zusammenhockten und redeten, aber immerhin kannten sie sich ja auch schon fast zwanzig Jahre.
Die andere Frau, die sich viel bei uns aufhielt, war Dora, die Frau von Franks Bruder. George war Rhodes-Stipendiat gewesen, Pilot im Ersten Weltkrieg und anschließend Kolonialbeamter in Nigeria. Er war die intellektuellere Ausgabe von Frank. Dora und er vertrugen sich nicht. »Weißt du«, konnte Dora gedehnt sagen, »i
m Grunde
verstehen wir uns nicht.« Sie war eine große, dunkelhäutige, fröhliche, hübsche Frau, durch und durch von weiblicher Defensivität geprägt. Früher war sie schön gewesen: Es gab Fotos vom stattlichen George in Uniform und seiner in Spitzen gehüllten Braut. Wenn ich an die Zeiten denke, in denen Menschen sich nicht von unpassenden Partnern scheiden lassen konnten, fällt mir Dora ein. Sie richtete sich in ihrer unbefriedigenden Ehe mit folgendem Argument ein: Da es für weiße Kinder offensichtlich unzumutbar war, im schrecklichen nigerianischen Klima zu leben, blieb sie in England. Wenn George Heimaturlaub hatte, war sie oft gerade bei Verwandten oder Freunden im Ausland, manchmal auf anderen Kontinenten. Sie sahen sich so gut wie nie. Ihre Kritik an ihm äußerte sie in Form von missbilligendem Gemurmel. Er kritisierte sie laut und leidenschaftlich, wobei sie ihn und uns schuldbewusst anlächelte und sagte, sie glaube nicht, dass er sehr glücklich wäre, wenn sie mit den Kindern tatsächlich bei ihm lebte. »George hat seine Freundinnen sehr gern … ich glaube
im Grunde
nicht, dass er Kinder sehr gernhat … mich hat er
im Grunde
auch nicht sehr gern.« Dazu biss sie sich auf die Lippe und verzog das Gesicht zu einer kleinen komischen Grimasse, als hätte sie gerade gesagt, wie schade es doch sei, dass er nicht gern tanzen gehe oder Tennis spiele. Sie trieb ihn zur Weißglut. Er hielt sie für dumm.
Ich dachte still für mich über die süße Mary und ihren Mann von der Farm nach, über die seufzende Dora und ihren trockenen Gatten und fragte mich wie immer, wie es passieren konnte, dass Menschen, die dafür ausersehen waren, einander unglücklich zu machen, so häufig im selben Bett oder zumindest im selben Schlafzimmer landeten.
Meine Ehe mit Frank rechnete ich noch nicht zu dieser Kategorie. Verglichen mit solchen Leuten passten wir gut zueinander.
George trank viel, aber man merkte es ihm nicht an. »Er kann eine Menge vertragen.« Ein größeres Kompliment konnte es nicht geben. Wenn er in Salisbury war,
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