Unter der Haut (German Edition)
immer schön hin und her.
Meine Ehe war beendet, aber ich wusste es noch nicht.
Während der fünftägigen Schleichfahrt durch die Schönheiten des südlichen Afrika beschäftigte ich mich mit John und machte mir Gedanken darüber, was ich, sobald ich zu Hause war – ja, was genau? Die Engländerin hatte gesagt, dass ich für sie arbeiten solle, sowie ihre Organisation in Salisbury ein Büro eingerichtet habe. Aber die Kirche war nichts für mich. Andererseits hatten nur die Missionen und Kirchen Schulen für die Eingeborenen.
Ich kehrte zu einem kleinen Mädchen zurück, das jede wache Minute in den Armen seiner liebevollen Pflegemutter zugebracht hatte und mich im Vergleich zu ihr als unzulänglich empfinden musste. Ich erzählte Frank, dass ich »etwas tun« wollte, und er stimmte zu. Dass eine Frau ins Haus gehört, kam ihm als »Progressivem« nicht in den Sinn. Wir engagierten eine junge Schwarze als Kindermädchen. Nichts einfacher als das, sollte man meinen. Aber in den beiden kleinen Zimmern im Dienstbotenquartier wohnten bereits drei Männer. Es wäre damals normal gewesen, dass sie sich den Platz mit ihnen geteilt hätte, aber uns war nicht wohl bei der Sache. Wir schlugen vor, dass sie – wenn wir ausgingen, was so gut wie jeden Abend vorkam – bei John mit im Zimmer schlafen solle (Jean schlief bei uns). Dadurch konnte sie der Polizei oder jedem anderen, der es wissen wollte, sagen, dass sie im
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, also in der Ziegelhütte am Hintereingang, wohne, hatte jedoch gleichzeitig bei Bedarf ein Bett im Haus. Das war damals etwas vollkommen Revolutionäres. Skandal. Schock. Horror. Nachbarn ließen uns wissen, dass sie gehört hätten, »was bei uns läuft«. Die Frau aus dem Nebenhaus fragte an, ob es stimme, dass eine schwarze Kaffernfrau bei uns im Haus schlafe, und sagte kalt: »Also nein, was sind Sie nur für Bohemiens! Das wird sie garantiert ausnutzen.« Meine Mutter war schockiert, erschrocken und suchte Frank im Büro auf, um sich lauthals zu beschweren. Er war wie immer ruhig und taktvoll. Aber im Grunde verstand er nicht, wieso ich mich über meine Mutter immer so aufregte, dass ich sofort ins Bett musste, sobald sie gegangen war, oder warum ich hilflos vor Wut in Tränen ausbrach, wenn sie, kaum im Haus, nichts Eiligeres zu tun hatte, als den Koch zu beschimpfen, den Hausboy zu beleidigen und dem
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zu sagen, dass er das Baby nicht anfassen dürfe.
Viele Jahre später wollte ein Therapeut von mir hören, dass es ein Zeichen von Unreife war, dass ich meiner Mutter nie ins Gesicht gesagt hatte, was ich dachte, dass es nie eine leidenschaftliche, direkte Auseinandersetzung mit Geschrei und Gezeter gegeben hatte. Aber sie wäre zusammengebrochen, hätte sich nie wieder davon erholt. Ich kann mich nicht daran erinnern, je ein lautes oder böses Wort zwischen meinen Eltern gehört zu haben. Das war nicht ihre Art. Das Mitleid, das ich für sie empfand, lähmte mich, meine innere Zerrissenheit machte mich handlungsunfähig, ich benahm mich stets ausgesucht höflich – was viel schlimmer ist als Schreien und Toben. Und was hätte ich aus mir herausgeschrien? Nur den einen Satz:
Lass mich um Gottes willen in Ruhe!
Ich hätte mir vornehmen können, »mein eigenes Leben zu leben«, eine Formulierung, die ich heute kindisch finde, aber das musste aufgeschoben werden, denn wir hatten das Haus voller Leute. Im Esszimmer war der Tisch stets ausgezogen, und es kam mir vor, als würde immerzu gegessen. Ich kochte ununterbrochen, ohne dass der Koch sich wehrte, denn er brauchte Hilfe. Ich schmunzelte im Stillen – da mich niemand verstanden hätte – bei dem Gedanken, dass es bei uns zuging wie in einer russischen Familie, in Jasnaja Poljana vielleicht, das jung verheiratete Paar mit Kindern und Dienerschaft, die Schwiegereltern mit den anderen Kindern, die Schwägerin vom Lande für einen Tag mit Mann und Kindern zu Besuch und Franks Freunde aus dem Büro oder dem Club.
»Meine Güte, die Fleischrechnung ist ein bisschen hoch, oder?«
»Die Getränkerechnung aber auch.«
Ich hatte Frank vorgeschlagen, auf Kapwein umzusteigen, aber die Idee behagte ihm nicht. Wein galt damals als elitär – ein Getränk, mit dem man nur angeben wollte.
In meiner Erinnerung ist Franks Schwester Mary die romantische Heldin einer Geschichte, die so einfach war wie eine Ballade. Mary war schlank und anmutig, mit glatten bernsteinfarbenen Haaren, die sie über der breiten Stirn in der Mitte gescheitelt hatte
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