Unter der Haut (German Edition)
dem Nachdenken über Gottfried verbrachte … Aber es ging mir nicht schlecht dabei. Und wir hatten ja auch nicht vor, lange verheiratet zu bleiben. Aber nehmen wir einmal an, ich hätte vor ihm noch keinen Sexualpartner gehabt. Nehmen wir einmal an, ich hätte vorher noch nie vergnüglichen Sex erlebt. Ich hätte geglaubt, dass Gottfrieds Unglücklichsein, dass mein Unglücklichsein im Bett ganz allein meine Schuld war. Frauen glauben immer, dass sie diejenigen sind, die an einem Fehlschlag auf diesem Gebiet schuld sind. Heute verfolgen mich allerdings die Gedanken an die Mädchen, an die Tausende – oder Millionen? –, die mit Männern verheiratet werden, die sie nicht kennen und mit denen sie vielleicht gar nicht harmonieren. Überall, auf der ganzen Welt, schweigend ertragenes Leid und ganze Unglückswüsten …
Some day he’ll come my way
The man I love …
Oder vielleicht oder sogar:
Night and day
I think of you …
Na gut, dann passten wir eben nicht zusammen.
Unser erstes Zuhause war wieder eines von diesen möblierten Zimmern, diesmal in einem Haus, dessen Eigentümerin extrem dick war. Es gab eine Menge Kinder, davon einige schon halb erwachsen. Eines Tages wurden wir von kreischendem Gelächter auf der Veranda geweckt. Als wir hinausgingen, saß die Frau auf einem Stuhl und hielt ein Neugeborenes im Arm. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sie schwanger war. Ihr Kleines war sanft auf den Boden geglitten, während sie Speck mit Eiern gebraten und dabei doppeltkohlensaures Natrium getrunken hatte gegen ihr Unwohlsein, das sie für eine Magenverstimmung hielt. Wir saßen alle rund um einen großen Tisch auf der Veranda, während das Kleine, dem man rasch ein paar schon längst weggeräumte Babykleider angezogen hatte, in der ganzen Familie herumgereicht wurde, von einem Arm zum nächsten. Ihr Ehemann war ganz begeistert. Und sie auch. In der Gruppe rief dieses Ereignis große Bewunderung hervor.
Wir hatten alle beschlossen, dass es mehr Zeit für das »persönliche Leben« geben musste. Es war »kontraproduktiv«, jeden Abend bei einem Treffen zu sein.
Wir bemühten uns ständig, zu den Schwarzen »Kontakt zu knüpfen« und »mögliche Kader« unter ihnen »zu bearbeiten«. Ein Problem bestand darin, dass die »Linie« – die natürlich aus Moskau kam – vorgab, dass nur ein schwarzes Proletariat sein Volk in die Freiheit führen könne. Schwarzer Nationalismus wurde nach dem gewohnten Ritual verdammt, mit dem üblichen Vokabular wie »Lakaien«, »Speichellecker«, »Minenhunde« und so weiter verbal geahndet. In Bezug auf die »Korrektheit« dieser »Linie« hegten wir erhebliche Zweifel, was zu hitzigen Debatten führte. Wir hatten keinerlei Kontakt zu organisierten Schwarzen-Gruppen – aus dem einfachen Grund, dass es noch keine solchen gab. Jedenfalls nicht in Salisbury. Aber wir erfuhren, dass es in Bulawayo inoffizielle und illegale schwarze Gewerkschaften gab. Ein Name, den wir kannten, war Joshua Nkomo, ein Redner, dem die Massen offenbar nur so zuliefen. Wir baten die Genossen in Bulawayo, Kontakt zu ihm herzustellen, doch sie hatten keinen Erfolg. Zwanzig Jahre später fragte ich Joshua Nkomo, wie das damals gewesen sei, und er meinte, dass er sich nicht genau erinnere, aber damals wahrscheinlich gedacht habe, dass wir Regierungsspitzel wären.
Der einzige Schwarze, mit dem wir kontinuierlich in Kontakt standen, war Charles Mzingele, der über Jahre hinweg der »Vorzeigeafrikaner« des alten Left Book Club gewesen war. Bei den Treffen hatte er jedes Mal freundlich und humorvoll wiederholt, dass Großbritannien aufgrund des in der südrhodesischen Verfassung festgeschriebenen Artikels, mit dem der Kolonie die Selbstverwaltung zugesprochen wurde, für die schlechte Behandlung der Eingeborenen verantwortlich sei, dass allerdings nie jemand Großbritannien auf dieses Pflichtversäumnis aufmerksam gemacht habe. Bei uns machte er es genauso. Für ihn war das der springende Punkt: Wenn es gelänge, die Aufmerksamkeit Großbritanniens auf die Missstände zu lenken, würde es die südrhodesische Regierung schon zur Ordnung rufen. Normalerweise kam er allein zu unseren Treffen, doch manchmal brachte er auch einen Freund mit. Sie verließen uns jedes Mal mit einer Auswahl unserer Flugschriften und Bücher, wobei sie das Hochglanzangebot aus der Sowjetunion verschmähten, aber dankbar alles annahmen, was nur irgendwie Informationen über die Situation ihres Volkes bot. Vom Kommunismus
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