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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Männern, deren von Sorglosigkeit und Ausgelassenheit geprägte Brutalität selbst dann leicht erkennbar war, wenn sie in Zivil waren. Wenn Charles erzählte, dass er von diesen Männern mehr als einmal zusammengeschlagen worden sei, und wenn er beschrieb, wie sie in sein Häuschen gestürmt waren, seine Flugschriften zerrissen hatten, ihn vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder verprügelt hatten, und wir dann empört waren, fand er uns genauso amüsant wie behütete Kinder, denen man etwas über die böse Welt erzählt. »Ja, so ist das nun mal, so geht es bei uns zu«, bemerkte er dann vielleicht mit einem geduldigen Lächeln.
    Immer wieder forderte er uns auf, das britische Parlament an seine Verpflichtungen zu erinnern. Wir schickten immerzu Briefe, die Abschriften von Sitzungsberichten, die Niederschriften von Resolutionen und die relevanten Teile der Verfassung an Parlamentsmitglieder in Westminster, die in dem Ruf standen, in Bezug auf Kolonialfragen »gut« zu sein, doch wenn wir überhaupt eine Antwort bekamen, dann war es eine freundliche Absage. Es liege am Krieg, erklärten wir Charles, die Menschen in Großbritannien hätten keine Zeit für andere Dinge. »Sie hatten vor dem Krieg auch keine Zeit für uns«, erwiderte er dann vielleicht, wie immer lächelnd. Es versteht sich von selbst, dass kein einziges Mitglied des südrhodesischen Parlaments auch nur irgendein Interesse an einer Änderung der Lage hatte. Charles Mzingele war ein Agitator, und damit war die Sache erledigt.
    Eine Verbündete hatte er jedoch: Gladys Maasdorp, die Bürgermeisterin von Salisbury. Wenn wir manchmal bei ihr im Büro vorbeischauten, konnte es gut sein, dass er – und Freunde von ihm – mit ihr Tee tranken und sich mit ihr unterhielten. Wir waren damals alle Mitglieder der Labour Party. Mrs. Maasdorp hatte uns, den Roten gegenüber, eine eigene Haltung: Nach ihrer Ansicht würden wir den Kinderschuhen schon noch entwachsen. Sie war eine bemerkenswerte Frau. Wie wir heute sagen würden, hatte sie für mich und die anderen Frauen Vorbildfunktion. Sie hatte als Kind und junges Mädchen in Graaf Reinet in der Kapprovinz gelebt, genauso isoliert wie Olive Schreiner – so sagte sie selbst, als wir sie fragten, wie es damals gewesen sei. Als integriertes Mitglied der altmodischen, rassistischen Gesellschaft jener Zeit hatte sie sich vorangelesen in den Sozialismus, den Feminismus und die Gleichberechtigung aller Rassen. Sie war grundsolide verheiratet und hatte Kinder. Dass eine Frau mit diesen für Zeit und Ort extremen Vorstellungen zur Bürgermeisterin gewählt werden konnte, war eine Anerkennung ihrer persönlichen Verdienste. Sie hatte eine prominente Position in der Labour Party inne, verachtete die Partei jedoch, weil sie nicht sozialistisch war und ihre Haltung den Afrikanern gegenüber nicht besser war als die der United Party. Da sie wusste, dass Afrikaner vorerst mit Sicherheit nicht als Mitglieder aufgenommen werden würden, schlug sie eine Unterorganisation für Afrikaner vor. So wie die weißen Gewerkschaften schon seit Jahrzehnten den sozialen Aufstieg der Schwarzen blockiert hatten, indem sie sagten, dass diese den offiziellen Gewerkschaften erst beitreten könnten, wenn sie die gleichen Löhne bekämen – aber die Weißen verdienten dreißigmal so viel wie die Schwarzen, und es wurde auch alles getan, damit das so blieb, denn die »Bewahrung der weißen Zivilisation« bedeutete, dass selbst zwischen den am schlechtesten bezahlten Weißen und den am besten bezahlten Schwarzen weiterhin ein großer Abgrund klaffte –, so wies auch die Labour Party den Gedanken an eine Unterorganisation für Afrikaner mit dem Argument zurück, dass dergleichen undemokratisch sei. Über die große Auseinandersetzung, die sich daraus entspann, habe ich in
Sturmzeichen
geschrieben. Wenn Mrs. Maasdorp uns in der Labour Party haben wollte, dann deshalb, weil wir gemeinsam mit ihr zugunsten der Unterorganisation für Afrikaner hätten abstimmen können.
    Stellen Sie sich folgende Szene vor: das übliche staubige, düstere Büro mit Aktenschränken und einem einfachen Tisch, hinter dem Mrs. Maasdorp saß, eine wohlgenährte, kräftige, ruhige Frau, und ihr gegenüber, auf einem Dutzend Stühlen zusammengedrängt, die Genossen, die gesagt bekamen, was sie tun sollten. Wir lachten alle – weil es uns so widersinnig vorkam, weil wir nie damit gerechnet hätten, dass man uns mit offenen Armen in die Labour Party aufnehmen

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