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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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würde. Außerdem waren die meisten von uns nicht einmal Bürger Südrhodesiens. Ich zum Beispiel: Durch meine Heirat mit Gottfried war ich zu einer feindlichen Ausländerin geworden. (Das machte mich dermaßen wütend, dass ich schlicht und einfach beschloss, es zu vergessen. Es wurde von mir erwartet, dass ich mich einmal pro Woche beim CID meldete, aber ich ging nie hin. Bald danach ging auch Gottfried nicht mehr hin – zu Kolonialzeiten lief vieles etwas moderater.) Aber was war mit den Angehörigen der Royal Air Force? Was mit den Flüchtlingen? Keine Bange, Mrs. Maasdorp, die große Demokratin, bekam uns alle in die Partei, auch wenn sie dazu eine Vielzahl von Regeln und Bestimmungen manipulieren musste. Gleichzeitig erläuterte sie uns ihre Bedingungen. Was wir außerhalb der Labour Party anstellten, war ganz allein unsere Angelegenheit, aber wenn sie auch nur das geringste Anzeichen von schmutzigen Kommunistentricks erkennen sollte, würde sie uns persönlich hinauswerfen. In der Zwischenzeit war, und ich übertreibe nicht, das ganze Land völlig in Aufruhr, weil das Gerücht umging, dass die Roten die Eingeborenen anstachelten, sich zu erheben und die Weißen ins Meer zu treiben. Diese Phrase kannte ich noch aus meiner Kindheit. Interessant ist sie schon deshalb, weil es im Umkreis von Hunderten von Meilen kein Meer gibt. Wenn England als »von einem Silbermeer umschlossen« beschrieben wird, steckt dahinter die gleiche Geisteshaltung.
    Unser Hauptfeind war ein gewisser Charles Olley, der gemeinsam mit Mrs. Maasdorp im Stadtrat saß, ein alter Intimfeind von ihr. Dieser kleine, dicke, hässliche Kerl trug Nadelstreifenanzüge und wurde von Leuten wie Max Danziger als ordinärer kleiner Emporkömmling verachtet. Die Berliner Lessings hatten über Hitler nicht anders gedacht. Charles Olley strotzte nur so vor einschüchterndem Selbstvertrauen, denn schließlich war er im Recht und schrieb unentwegt Briefe an die Zeitungen: »Bürger Südrhodesiens. Es ist Zeit, dass Ihr aufwacht und erkennt, was hier vor sich geht. Agitatoren und Kaffernfreunde sind in der Schwarzensiedlung am Werk und rufen zur Revolution auf. Unter ihnen sind auch Ausländer und Kommunisten. Die Eingeborenen sind noch nicht reif für die Politik. Sie sind doch gerade erst von den Bäumen heruntergestiegen …« Und so weiter und so fort.
    Unsere Zwischenstation in der Labour Party genossen wir in vollen Zügen. Treffen, Besprechungen, Intrigen und Diskussionen füllten unsere Tage und Nächte. Wir schäumten geradezu über von einer Begeisterung, die widersprüchlich war, mit Gegensätzlichkeiten, die schon in Richtung Farce tendierten; das alles war in der Kolonie sowieso schon immer dramatisch gewesen, trat aber jetzt zu Kriegszeiten mit dem Zustrom an extrem gegensätzlichen Menschen besonders zutage. Leute von auswärts betonten immer wieder: »So etwas kann nur in Südrhodesien passieren.«
    Mit unseren von Mrs. Maasdorp gesteuerten Aktivitäten gelang uns die Spaltung der Labour Party, der einzig möglichen Alternative zur bestehenden Regierung. Als man Mrs. Maasdorp diese Entwicklung zum Vorwurf machte, antwortete sie, dass eine wirklich ernst zu nehmende Alternativregierung sozialistisch wäre und dass die bestehende Labour Party von der United Party nicht zu unterscheiden sei und voller Karrieristen stecke.
    Vielleicht war Mrs. Maasdorp einsam, wie so viele andere unter den »alten« Menschen zu jener Zeit. Wir wussten, dass ihr Mann ihr politisches Engagement nicht teilte. Wer konnte schon begreifen, was es bedeutete, sich als junges Mädchen heimlich und ohne Hilfe Informationen über die Welt anzueignen? Charles Mzingele zum Beispiel. Die beiden waren richtige Freunde – die sich ausschließlich in ihrem schäbigen kleinen Büro treffen konnten und nirgendwo sonst. Ich glaube, mich mochte sie, weil ich sie an ihre eigene Jugend erinnerte. »Manche von uns brauchen sehr lange, um erwachsen zu werden«, bemerkte sie manchmal streng. Gottfried mochte sie auch, obwohl sie seine politischen Überzeugungen verachtete. Was die beiden miteinander verband, waren ihre geistigen Anlagen und ihr autoritäres Wesen. Auch sie saßen oft stundenlang an dem alten Fichtenholztisch und unterhielten sich. Sie wollte etwas über die Arbeiterbewegung in Deutschland hören, aber da er vor seinem Weggang gänzlich unpolitisch gewesen war, zog er sich jetzt mit einem lässigen Kommentar aus der Affäre: »Tut mir leid, aber über

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