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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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das streitlustige Kinn hochgereckt, bis die drei privilegierten Jünglinge, die sich aufgrund ihrer Bildung so ungemein sicher fühlen, zu Ende kommen und ihn, seine Kapitulation erwartend, ansehen. Aber er hat nicht vor, klein beizugeben. »Ach, na ja, das ist alles ganz hübsch, klar, aber mir ist Burns lieber als alle zusammen.« Und er rezitiert: »›Wee, sleeket, cow’ring timrous beastie‹«, das Gedicht über die Maus, und zwar in seiner ganzen Länge. »Bitte sehr, da findet mal was Besseres, findet was Besseres, wenn ihr könnt.«
    Gottfried sitzt in seinem hellen, eleganten Leinenanzug dabei, neben ihm Mrs. Maasdorp, die wie eine gepflegte Hausfrau aussieht, beide mit diesem ironischen Ausdruck in den Augen, denn sie wissen, dass sie auf die Schwächen der anderen Rücksicht nehmen müssen.
    Jimmy Lister hatte eine Frau, die mit ihm und seinen Grundsätzen nicht einverstanden war. Und in seinem Arbeitsalltag war er mit Männern zusammen, die bei Wahlen vielleicht für ihn stimmten, ihm aber keine Anerkennung schenkten. Er war nicht der Einzige – ganz entschieden nicht –, der bei uns zeitweise Linderung für seine Einsamkeit fand. Später schadete er sich auf politischer Ebene selbst, ich habe aber vergessen, wodurch – ich glaube, er unterstützte den »reaktionären« Flügel der Labour Party. Auf dieses Vergehen antwortete die Linke – wie üblich – mit Schmach, Hohn und Spott.
    Jack Allen, der alte Minenarbeiter aus Witwatersrand, der langsam an einer Staublunge zugrunde ging, war Mrs. Maasdorps engster Freund. Er lebte am Rand des Farbigenviertels, in einem winzigen Häuschen, wo ständig Menschen ein und aus gingen: schwarze Kinder, braune Kinder, Charles Mzingele und seine Freunde, Angehörige der Royal Air Force, die manchmal für den Nachmittag freibekamen, der eine oder andere von uns, der gerade eine halbe Stunde übrig hatte. Jack gehörte zur Generation nach Granny Fisher, und das, woran er sich erinnerte, waren nicht schlecht beleuchtete, von Zelten und Blechhütten gesäumte Straßen oder Saufgelage, sondern die großen Auseinandersetzungen, zu denen es in Johannesburg zwischen Kapitalisten und Arbeitern, weißen Arbeitern, gekommen war. Und er erinnerte sich an die Armut – an die Art von Armut, wie ich sie durch Stanley, den Chauffeur der Griffiths, zu sehen bekommen hatte.
    Neben jungen Männern, die man zur Pilotenausbildung in die Kolonie schickte, kamen Studenten aus Cambridge, die ihr unterbrochenes Studium fortsetzen wollten, sobald der Krieg vorüber war. Drei von ihnen waren unsere besonderen Freunde. Einer kam aus der Arbeiterklasse, wie D. H. Lawrence, und genauso ordnete ich ihn ein, in einen rein literarischen Kontext. Er selbst sah sich damals ganz genauso. Einer kam aus der oberen Mittelschicht und machte später eine steile Karriere beim britischen Industrieverband. Einer war in Harrow gewesen, und er behauptete, dass man im Leben alles überstehen werde, was einem nur widerfahren könne, wenn man eine englische Privatschule überstanden habe, wobei er selbst nicht ungeschoren davongekommen sei. Man hatte ihn auf die grausamste Weise drangsaliert. Er trank entschieden zu viel. Zwei von ihnen waren schon in Cambridge befreundet gewesen: Inzwischen waren sie alle drei gute Freunde. Für mich bedeuteten sie eine Bestätigung und ein Versprechen. Jeder junge Mensch träumt von dem einen: Ach, wenn ich doch nur richtige Freunde hätte, jemanden, mit dem ich reden könnte. Und da waren sie. Diese drei, die sich dann schließlich nur ein paar Monate in meinem Umkreis aufhielten, veränderten mich, schenkten mir Zuversicht, denn sie brachten mir England nahe als etwas, wo ich eines Tages vielleicht wirklich sein würde – und zwar schon bald, sobald der Krieg zu Ende wäre. Wenn ich erst einmal dort wäre, würde ich … auf jeden Fall würde ich reden … Was für einen Spaß es machte, mit diesen dreien zu reden, eine Unterhaltung zu führen – nicht als Debatte, als Streitgespräch, als Konfrontation, als Phrasendrescherei, als Anklage, sondern ganz einfach als einen selbstverständlichen und freundlichen Austausch von Gedanken. Reden um des Vergnügens willen. Sie waren sehr viel später nach Südrhodesien gekommen, zu einem Zeitpunkt, da der anfängliche Eifer und die ersten Gewiss- heiten der Gruppe schon wieder verflogen waren, aber vorbehaltlose Begeisterung wäre ohnehin kaum ihr Stil gewesen. Und gerade ihr Stil ist es, der mich heute

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