Unter der Haut (German Edition)
immer durch unterirdische Höhlen und Wasserwege dahingurgeln würde. Der dritte Ausschuss, der den Be- schluss zum Abschuss von Hunderttausenden von Tieren fasste, liefert eine Erklärung dafür, warum es im Busch heute kaum noch Tiere gibt. Das Vorhaben, auf diese Weise die Tsetsefliege zu dezimieren, ist fehlgeschlagen.
Außerdem schrieb ich an der
Afrikanischen Tragödie
, einem Buch, das jetzt als ordentliches kleines Werk im Regal steht. Es war anfangs dreimal so lang wie jetzt, und es war eine Satire. Die Hauptfigur war ein idealistischer, junger Engländer, der wie so viele in der Kolonie ankam und über das, was er vorfand, vollkommen entsetzt war. Da die meisten dieser Männer vor der Wirtschaftskrise und der extremen Armut in England geflohen waren, konnten sie nicht einfach wieder zurück, und sie passten sich den Sitten vor Ort an: Es war allgemein bekannt, dass diese frisch zur weißen Zivilisation Bekehrten (wie alle Konvertiten) radikaler waren als die Alteingesessenen. Aber angenommen, es wanderte einer ein und verließe weder gleich das Land noch passte er sich an? Damit hätte ich den klassischen Stoff für eine Komödie: der unschuldige Idealist im Konflikt mit der Korruption oder, anders gesagt, dem Realismus. Wie im Western. Das Problem war, dass mir die Erfahrung fehlte, um daraus ein Buch zu machen, und so wurde mein Text schwerfällig und plump. In dieser ersten Fassung schickte ich das Manuskript nach London. Luftpost gab es nicht. Es ging per Schiff. Wenn das nicht sank, brauchte die Sendung sechs Wochen. Dann musste der Verlag das Manuskript lesen, was noch mal so lange dauerte. Zurück wieder per Schiff. Alles zusammen sechs Monate, ein Jahr, länger. Später behielt ich eine der Nebenhandlungen und warf den Rest weg. Ich schickte Kurzgeschichten an Zeitschriften in London. Das gleiche Verfahren. Einige wurden später in
This Was the Old Chief’s Country
veröffentlicht. Ich schickte Gedichte: Diese kamen mit ermutigenden Briefen zurück oder mit Absagen, die durch den Satz abgemildert waren: »Bitte, schicken Sie uns weitere.« Diese Geduldsproben waren lehrreich. Außerdem lernte ich, dass man die Äußerungen von Lektoren nicht so schrecklich ernst nehmen muss, wenn man bedenkt, dass nicht angenommene Kurzgeschichten später gedruckt und gelobt werden. Ich schrieb auch Theaterstücke. Ich hatte mich rettungslos in das Theater verliebt, als ich mit neun Jahren eine Schulaufführung von
Oedipus Rex
auf dem Rasen vor dem Government House gesehen hatte. Eines der Stücke, die ich in dieser Zeit schrieb, wurde später im Cambridge Playhouse aufgeführt, als es eigentlich schon überholt war, denn in Afrika änderten sich die Dinge schnell. Theater in Salisbury führten
Dangerous Corner
und
Blithe Spirit
auf. Als sie
They Came to a City –
ein heute vergessenes Stück von J. B. Priestley – inszenierten, ging das Publikum dankbar mit. Wir hatten Nachrichten von besseren Zeiten nötig. Ein Lichtblick war auch Laurence Oliviers Verfilmung von
Heinrich V.
Wir waren eine Gruppe von ungefähr zwanzig Leuten und sahen den Film in einem großen Kino, in dem außer uns vielleicht noch fünf andere saßen.
Ein paarmal in der Woche fuhren Gottfried und ich hinaus in den Vorort, in dem meine Eltern mittlerweile wohnten, und saßen an Vaters Bett. Er lag im Sterben. Aber er starb schon so lange. Wir blieben bei ihm, während meine Mutter zu Freundinnen fuhr oder, wie sie immer noch zu sagen pflegte, Besuche machte. Diese Nachmittage am Bett meines Vaters waren entsetzlich, und ich träume noch heute manchmal davon. Seine wahre Persönlichkeit, sein eigentlicher Charakter waren längst hinter der Krankheit verschwunden. Für mein Empfinden war er in Wirklichkeit längst gestorben. Ich versuchte ständig, mit
ihm
zu reden, ihn zurückzuholen, ihn zum Antworten zu bewegen, ihn zu zwingen, mein Vater zu sein, ihn dazu zu bringen, wenigstens einen Moment lang nicht dieser selbstmitleidige, mürrische, in Träumen versunkene alte Mann zu sein, der unablässig redete, und immer nur über seinen Krieg.
Gottfried verhielt sich freundlich – aber korrekt. Meiner Mutter gegenüber verhielt ich mich pflichtbewusst – und korrekt. Das muss für sie ein Albtraum gewesen sein, diese höfliche Tochter, die einen kalten Ausländer – einen
Deutschen –
als Schutzschild benutzt. Meine Eltern mochten Gottfried nicht, Gräfin von Schwanebach hin oder her. Das lag nicht daran, dass er Jude war – oder
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