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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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eine Gruppe von »Trotzkisten« die »Linie« anzweifelte und es daraufhin draußen vor dem Saal zu einer Schlägerei kam, die darin gipfelte, dass zwei junge Männer ins Krankenhaus in die Notaufnahme gebracht werden mussten. Oder dass Jane (eine Kommunistin aus London) lieber die Politik an den Nagel hängte als mit Marie (aus Kapstadt) im selben Zimmer sitzen zu müssen. Marie bezichtigte Jane nämlich rassistischer Vorurteile, weil diese behauptet hatte, alle Burenfamilien in Südafrika hätten »schwarzes Blut«. Wobei sie etwas gegen das Wort hatte, nicht den Sachverhalt.
    Kann sein, dass Reife alles ist und dass sie einen so milde stimmt, dass man nur noch mit einem Achselzucken und einem Lächeln reagiert, damals aber sorgten die schwierigen Zeiten dafür, dass sich manche Ereignisse überschlugen. Die Beziehung zwischen Kurt und Esther erschien uns wie das Paradigma eines surrealen Krieges. Jeder Besuch bei ihnen erinnerte an den Krieg, denn Esthers Garten war zwar ein kleines Paradies, aber man sah von dort aus den hohen Zaun des nahe gelegenen Camps der Royal Air Force. Keiner konnte diesen Zaun ohne Beklemmungen betrachten. Es war ein Zaun, wie wir ihn noch nie gesehen hatten. Unsere Zäune waren niedrig und schief, und der Stacheldraht wurde, wo es ging, um Bäume herumgeführt (mit Gummistreifen aus zerschnittenen Autoreifen geschützt) oder um raue Pfosten. Dies war ein ernst zu nehmender Zaun. Wenn das Auge darauf fiel, musste man an die unzähligen anderen Camps der Air Force in ganz Afrika denken, die umherschwärmenden Männer in den graublauen Uniformen, die zumeist gegen ihren Willen da waren, hinter Zäunen und streng überwacht. Man musste unwillkürlich an den Krieg denken.
    Dieser neue Vorort, einer der vielen, die rasch aus dem Boden gestampft worden waren, um dem kriegsbedingten Wachstum Salisburys gerecht zu werden, zog sich in Form eines dichten Straßennetzes über das nackte
veld
und war über einen schmalen, schlecht geteerten Weg mit der Hauptstraße nach Umtali verbunden. Der Vorort wirkte genauso aufgesetzt und provisorisch wie die Camps, aber als ich 1956 wieder daran vorbeifuhr, waren die kleinen Häuser von Gärten umgeben. Als sie neu waren, standen die kastenförmigen Bauten jeweils in einer langen Reihe entlang der Straße. Jedes für sich lag in einem Rechteck aus nackter, aufgerissener Erde, das von einem Drahtzaun umgeben war. Doch fast unmittelbar nachdem man von der Hauptstraße abgebogen war, tauchte inmitten von Bauschutt und Zäunen ein leuchtender, üppiger Farbfleck von einem Garten auf, der vom Drahtzaun zusammengehalten wurde wie ein großer Blumenstrauß. In diesem Garten lag das Haus von Esther und Kurt. Neben dem mit hellroten Ziegeln gepflasterten, schon von Portulak und Thymian verdunkelten Weg zum Haus wucherten einem Rosen, Bleiwurz, Canna, Jasmin und Oleander entgegen. Die dicht dahinter liegende Veranda war kaum zu sehen. Auf den Stufen standen Töpfe mit Pflanzen, und von den Pfosten hingen die Farne wie Vorhänge herab. Die Häuser waren alle gleich, sie hatten zwei Zimmer, vorne das Wohnzimmer, dahinter das Schlafzimmer und wiederum dahinter eine winzige Küche, von der eine winzige Veranda abging. Die vordere Veranda war breit und schattig, wie ein drittes Zimmer. Das Wohnzimmer war hübsch mit Stühlen und Tischen aus Rhodesien möbliert. Auf dem Fußboden lagen Reetmatten. Die Cretonnevorhänge waren
englisch.
Mit Blumen gefüllte Vasen schmückten fast alle Tische und Schränke. An den Wänden hingen englische Aquarelle und Pieter-Breughel-Reproduktionen aus den Wiener Museen.
    Der Garten war ganz und gar Esthers Werk, sie kümmerte sich morgens vor der Arbeit und nach Feierabend darum. Wenn wir zu Besuch kamen und auf dem Ziegelweg standen, bemerkten wir meistens zuerst ein Zittern irgendwo in den Tiefen des Gartens, und dann tauchte Esther aus der üppigen blühenden Pflanzenpracht auf und sagte: »Oh, wie schön, dass ihr da seid, bitte, kommt doch rein.« Sie bahnte sich vorsichtig den Weg aus den Beeten und nahm lächelnd die Hand, die sie stützen wollte, wobei sie allerdings deutlich zeigte, dass eine stützende Hand das Letzte war, was sie nötig hatte. Sie stieg die Stufen zur Veranda vor uns hinauf und rief: »Shilling – bring uns bitte Tee.« Und sogleich ertönte Kurts Vorwurf: »Esther, mein Schatz, seinen richtigen Namen bitte.«
    »Tut mir leid«, sagte sie leichthin, »das vergesse ich ständig.«
    Wenn sie so auf ihrer Veranda

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