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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Klinik für Schwarze zubringe, wo die Menschen mit Stichwunden ankämen, betrunken oder, weitaus häufiger, vollgeknallt mit Drogen. Blut floss seiner Darstellung nach in Strömen. Ich schilderte ihm, was ich 1949 mit angesehen hatte. Nichts hatte sich geändert bis auf die Tatsache, dass jetzt auch Drogen im Spiel waren und nicht nur Alkohol.
    Das zweite Ereignis, an das ich mich erinnere, ist ein Mittagessen, das mir zu Ehren gegeben wurde – aber ich habe es nicht mehr genau vor Augen und weiß nur noch, dass an dem Tisch alle »Größen« der Literatur und der Politik versammelt waren, mit denen die Linke zu jener Zeit aufwarten konnte. Uys Krige, der Dichter, war da, und auch die Herausgeber von Zeitschriften, die meine Kurzgeschichten abgedruckt hatten. Auch Solly Sachs war da, der Gewerkschafter, und mit ihm ein paar weitere seiner Kollegen. Für eine kurze Zeit – die Nationalisten bereiteten dieser Phase dann ein Ende – gab es in Südafrika Gewerkschafter, denen es gelang, arme weiße Arbeiter und Arbeiterinnen, indische und farbige Arbeiter zu einem gemeinsamen Kampf um die Verbesserung ihrer Situation zu vereinen. Unmöglich, sollte man meinen, aber die Persönlichkeit dieser Männer konnte Berge versetzen. Worüber unterhielten wir uns bei diesem Essen? Da brauche ich nicht lange zu überlegen: Zu jener Zeit redeten wir sowieso alle immer nur über die Machtübernahme durch die Nationalisten und was das für Südafrika bedeuten würde, und über die Machtübernahme durch die Kommunisten in China. Später, in England, erhielt ich einen Brief von einem der Gewerkschafter, der folgendermaßen lautete: »Genossin! Ich habe mein Leben in den Dienst der leidenden Menschheit gestellt, habe versucht, das Leben der armen Teufel dieser Welt zu verbessern. Mein Blick ist immerzu auf den strahlenden Horizont gerichtet, auf den die Menschheit zumarschiert. Ich kann von mir sagen, dass ich mich niemals schone, dass alles, was ich jemals getan oder gedacht habe, dem Wohl der gesamten …« So ging es ungefähr sechzehn Seiten lang, und erst am Schluss verstand ich, dass der Brief ein Antrag war, das ganze Leben oder wenigstens das Bett miteinander zu teilen. Ich war überrascht, denn ich hatte damals bei dem Essen nicht einmal neben ihm gesessen. Mit der Zeit brachte ich es allerdings auf eine richtige Sammlung von ähnlich lautenden Briefen: Der Zeitgeist schrieb sie. In diesem Stil konnten allerdings nur Angehörige bestimmter Nationen schreiben: Man kann sich kaum vorstellen, dass sich ein Angelsachse hinsetzt und einen solchen Brief verfasst. Zwei Polen, drei Jugoslawen, zwei Afrikaander und ein Revolutionär aus Chile – doch die Briefe waren kaum voneinander zu unterscheiden.
    Für den Fall, dass der Lauf der Welt solche Dinge noch einmal mit sich bringt, habe ich den Frauen einen nützlichen Rat zu geben. Das Letzte, was Sie tun sollten, ist etwas so Undurchdachtes wie: Ach, du findest mich toll? In Ordnung, dann lernen wir uns doch kennen und warten ab, wie sich die Dinge entwickeln. Nein, Sie sollten ihm mindestens genauso viele Seiten voller erlauchter Gefühle schicken und den Brief mit den Worten enden lassen: »Auf immer im Kampf vereint!«
    Dieser Rat kann auch in einer verwandten Situation von Nutzen sein. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten einen viele Seiten langen Brief (die Schreiber haben immer Unmengen Zeit) mit folgendem Wortlaut: »Die kosmische Unermesslichkeit des Ewigen lenkt mich zu Dir, und ich spüre, dass wir uns kennenlernen müssen, um unsere Gedanken über …« Ihre Antwort sollte lauten: »Sie und ich werden auf einer höheren Ebene immerfort zusammen sein. Wozu also ein Treffen im Diesseits?«
    In Kapstadt machte ich die billigste Pension der Stadt ausfindig. Ich habe sie in
Auf der Suche
beschrieben – biografische Elemente ins Komische gezogen, warum nicht? –, aber in Wirklichkeit war es eine entmutigende Zeit, die sich schier endlos hinzog. Das Schiff kam und kam nicht an. Der Schiffsagent sagte erst Ja und dann wieder Nein. Er wartete auf ein Bestechungsgeld, aber der Gedanke daran kam mir erst gar nicht in den Sinn. Sechs Wochen Wartezeit waren ein hoher Preis für meine Redlichkeit. Die Pension, ein Holzhaus, schien einen halben Hektar Grundfläche zu bedecken, und sie war nicht nur mit Leuten vom Land vollgepfercht – den Verwandten der Burin, die die Pension führte –, sondern auch mit englischen Kriegsbräuten. Außerdem gab es zwei Paare, die auf dem Weg

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