Unter der Haut (German Edition)
sie aus amerikanischen Filmen kennt und wie sie die Afrikaander in Südafrika benutzten, auf ihren Trecks nach Norden, fort von den Engländern, der Freiheit entgegen.
Wir mieteten uns nach Siedlermanier wieder bei Fremden ein, diesmal neben einer kleinen Goldmine, wenige Meilen von dem Hügel entfernt, auf dem das Haus gebaut werden sollte. Die Mine wurde von den Whiteheads verwaltet und sie gehörte der Lonrho. Die Lonrho war die Nachfolgerin der British South Africa Company, mit deren Hilfe Cecil Rhodes Südrhodesien annektiert hatte und von der man lange als »The Company« sprach, und das ganz bestimmt nicht mit Sympathie. Wieder gab es eine Vielzahl von
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und eine Baracke als Haupthaus. Hinter hellen Abraumhalden ragte das heuschreckenhafte Bergwerksgerät auf. Dahinter lag der Kaufladen der Mine und wieder dahinter die Siedlung mit den dicht gedrängten, strohgedeckten Hütten. Papayabäume, Guavabäume, Plantainbananen, Tagetes, Kosmeen, Canna, Margeriten und Weihnachtssterne: Das waren die Pflanzen, die anzeigten, wo sich Weiße niedergelassen hatten.
Bevor etwas angebaut werden konnte, waren mindestens fünfzig Hektar Baumland zu roden, die Stümpfe aus dem Boden zu reißen oder zu verbrennen. Es mussten Geräte und Vieh gekauft werden. Das Haus musste gebaut werden und die
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für die Rinder und die Maschinenschuppen.
Die Farm bestand aus gut fünfzig Hektar Buschland, aber es gab irgendeine Regelung, wonach mein Vater angrenzendes, nicht vergebenes Staatsland als Weideland benutzen durfte, und zu unserer Zeit war dieses Land nicht besiedelt, sodass sich »unser« Land unendlich weit erstreckte, bis zu den Ayreshire Hills. Auf diesem Land lebte keine Menschenseele, weder schwarz noch weiß.
Mir ist nur eine Begebenheit aus den ersten Monaten im Gedächtnis geblieben, die meine Eltern später nie beschrieben, ohne dass sie sich mit den staunenden, ungläubigen Gesichtern anschauten, die zu solchen Momenten des Erkennens gehören. »Gott, was war das für eine schreckliche Zeit, eine schreckliche, schreckliche Zeit!« Wie haben wir das nur überstanden? – lautet die unausgesprochene Botschaft. Es war Abend, und die kleinen Kinder, mein Bruder und ich und noch zwei andere, wurden in einer
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unter dicht festgesteckten Moskitonetzen ins Bett gebracht. Ein größeres Mädchen trat ein und postierte eine Kerze so auf eine hochkant gestellte Benzinkiste, dass die Flamme nur wenige Zentimeter von einem der Netze entfernt brannte. Meine Mutter kam herein, um noch einmal nach uns zu schauen. Als sie die Kerze sah, schoss sie mit einem Satz quer durch den Raum, wobei sie sich mit einer Hand ans Herz griff und mit der andern nach der Kerze langte. Sie sagte mit einer vor Aufregung gedämpften Stimme: »Was machst du da? Was fällt dir ein?« Sie hatte recht. Wenn ich einen Arm oder ein Bein ausgestreckt hätte, wäre das Netz in die Flamme gekommen, und die Hütte wäre in Flammen aufgegangen – ein Strohdach auf Lehmwänden mit Holzpfosten. Meine Mutter stand da, den Kerzenhalter in der zitternden Hand, die Flamme flackerte, Kerzentalg tropfte. Die Übeltäterin weinte, weil ihr erst jetzt die möglichen Folgen aufgingen. »Warum?«, fragte meine Mutter mit leiser, entsetzter Stimme. »Wie kann jemand, der seinen Verstand beisammenhat, so etwas tun?« Ihre Ungläubigkeit habe ich nie vergessen. Fähige Menschen können Unfähigkeit nicht verstehen, intelligente können Dummheit nicht verstehen.
Meine Eltern verstanden sich mit den Whiteheads nicht, sie empfanden sie als verdächtig und unter ihrem Niveau, gleichwohl dauerte es nicht lange, bis sie sich mit ganz ähnlichen Leuten anfreundeten, die Farmen bewirtschafteten, bankrottgingen, Gold schürften und damit Erfolge oder halbe Erfolge erzielten oder auch bankrottgingen, wieder eine Farm kauften oder den Laden an einer Mine – kurz, in jedes Projekt einstiegen, das sich ihnen bot. Einige machten mit diesem Von-der-Hand-in-den-Mund, Wenn-nicht-das-eine-dann-das-andere ihr Glück. Andere tranken sich zu Tode. Die Whiteheads waren ungebildet. Sie kannten nichts außer diesem Siedlerleben. Meine Mutter mochte sie nicht, und sie wiederum müssen meine Mutter als eine Zumutung empfunden haben. Mein Vater übernahm die Buchführung für die Mine und machte das auch noch einige Jahre weiter, als er bereits auf die Farm gezogen war. Schon damals hatten wir Geldsorgen. Wegen der Bücher gab es eine Unstimmigkeit. Mr. Whitehead war entweder
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