Unter der Haut (German Edition)
hinter der gerodeten Fläche einen Waldducker oder eine Wildkatze oder ein Stachelschwein aufschreckten. Vor dem Haus führten zwei holperige Feldwege zu den Feldern hinunter und ein steiler Pfad durch dichten Wald zum Brunnen. Ein Stück unterhalb des Hauses stand ein großer Mawongabaum, dessen heller Stamm von Blitzen zernarbt war, ein alter Baum voller Bienen und Honig. Worüber ich heute staune, ist nicht, wie sehr wir die Landschaft durch unser Siedeln beeinträchtigt haben, sondern wie wenig. Unten am Hügel lag auf der einen Seite das große Feld, fünfzig Hektar groß, und daneben gab es weit verstreut noch mehrere kleine Felder. Viehkraals, Tabakspeicher – und das Haus auf dem Hügel. Das Landarbeiterdorf auf einem kleineren Hügel verschmolz mit dem Busch, wie unser Haus auch.
Kapitel Fünf
Das Haus auf dem Hügel unterschied sich kaum von den ersten Häusern, die sich andere Siedler bauten, denn bei ihrer Ankunft in der Kolonie waren fast alle arm. Für gewöhnlich waren es Ziegelstein- und Wellblechbauten mit einem oder zwei Zimmern. Die schönsten Häuser aus diesen frühen Tagen waren den Wohnstätten der Afrikaner nachempfunden. Eine afrikanische Familie bewohnte mehrere Hütten, jede für einen anderen Zweck, und die Häuser der frühen Siedler bestanden häufig ebenfalls aus einem halben Dutzend strohgedeckter Hütten aus Ziegelsteinen oder Holz mit Lehm, zuweilen durch Laubengänge miteinander verbunden, die von Goldregen oder Bougainvilleen überwuchert waren. Sie hatten Ziegelstein- oder rote Zementböden oder häufiger noch solche aus gestampftem, mit Dung vermischtem Lehm. Die Hütten der Afrikaner waren fensterlos, die der Weißen nie, manchmal hatten sie auch Französische Fenster mit Fliegengittern, sodass die Hütten aussahen wie Volieren. Auf den Fußböden lagen Reetmatten oder Tierfelle. Die ersten Betten waren häufig aus Stangenholz und Rindslederriemen. Möbelgeschäfte gab es nur viele Meilen entfernt in Salisbury, die Möbel wurden mit dem Wagen geholt und mussten, selbst wenn sie mit dem Zug kamen, über schlechte Straßen vom Bahnhof auf die Farm transportiert werden. Durch die häufigen Privatverkäufe bankrotter Farmer wechselten viele Möbel von Farm zu Farm. Aber die ersten Stücke wurden improvisiert, irgendein geschickter schwarzer Arbeiter baute sie aus Buschholz, größtenteils aber aus Benzin- und Petroleumkisten. Damals kaufte man Benzin und Petroleum in Viergallonenkanistern, je zwei in einer Kiste. Daraus konnte man ein Sofa machen. Anrichten, Schreibtische, Frisierkommoden baute man aus zwei bis vier hochkant gestellten Kisten, die durch ein quer gelegtes langes Brett miteinander verbunden wurden, und darauf kam ein Aufbau aus flach gelegten Kisten. Diese eher schlichten, anspruchslosen Möbel bekamen durch Vorhänge aus Mehlsäcken einen zivilisierten Anstrich. Mehl wurde nämlich in dicken weißen Säcken geliefert, die nach dem Waschen weich und seidig wurden und sich gut färben ließen. Oft waren die Vorhänge auch aus besticktem Juteleinen.
Wer wirklich knapp dran war, brauchte nur einen Carron-Dover-Holzofen anzuschaffen. Der stand in jedem Farmhaus – oder in fast jedem: Ein junger Siedler, der gerade erst angekommenen war, wohnte auch schon mal für eine gewisse Zeit in einer Lehmhütte, mit einem offenen Feuer unter einem Wellblechdach zum Kochen.
Wurden die Häuser zu klein, wurden sie abgerissen und durch die soliden Ziegelsteinhäuser mit Gipsdecken ersetzt, die zeigten, dass hier der Erfolg eingekehrt war, oder sie blieben als Kern eines wachsenden Farmhauses stehen, das Zimmer um Zimmer erweitert wurde.
Erfindungsgeist und Improvisationstalent gingen nicht verloren. Selbst in dem Haus eines »Scheckbuchfarmers« – (diese alte Bezeichnung, aus der Neid und Missgunst sprechen, hörte ich 1988 noch einmal von einem schwarzen Farmer, der noch immer kein Scheckbuch besaß) – konnte es noch Jutevorhänge oder Wandbehänge geben, die mit Wollfäden in Rot und Orange und Schwarz oder mit den damals im »Jazz-Zeitalter« modernen geometrischen Mustern bestickt waren. Oder handgefärbte Mehlsackvorhänge. Ich habe ein Farmhaus gesehen, das bis oben hin voll mit Antiquitäten war – echten, aus England und Schottland –, wo die Gardinen und die Bettüberwürfe in den Schlafzimmern glänzende Chintzvolants hatten, der Schirm vor dem Feuer aber aus bestickter Jute war und die eingebauten Bücherregale aus lackierten Benzinkisten.
Unser Haus
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