Unter der Haut (German Edition)
charmantes Lächeln, strich sich den Schnurrbart glatt und ging. Das empfohlene Buch war Stapledons
Last and First Men
, und ich las es zusammen mit
Peking Picnic
und den Büchern von Beverley Nichols, Aldous Huxley, Scholochow, Priestley und Dornford Yates und vielen anderen, denn in diesem Hause tat ich nichts anderes als lesen. Ich las den ganzen Tag bäuchlings auf dem Bett, und ich las fast die ganze Nacht, während eine Kerze nach der andern niederbrannte und ich neue in die Halter steckte. Ich zündete die Kerze an und nicht die Öllampe, weil sie weniger Licht gab und weil ich Angst hatte, dass die beiden großen Frauen in ihren marineblauen Satinhausmänteln auftauchen könnten, um mir zu sagen, dass ich aufhören müsse, vor allem, da ich so viel las, was nicht von Ann Bridge war. Sie kamen nicht. Wenn ich aus meinem Fenster zu ihren Fenstern hinüberschaute, waren sie dunkel. Doch durch das Fenster des Majors konnte ich sehen, wie er im Morgenmantel neben einer Öllampe saß und las. Er saß immer noch da, wenn der Chor der Vögel bei Tagesanbruch den seidigen grauen Himmel zerriss und die Eulen und Ziegenmelker ablöste, und er saß noch da, wenn ich schuldbewusst die Kerze ausblies, mir die brennenden Augen rieb und einschlief, bis man mich zum Frühstück weckte, einer Mahlzeit, die man keinesfalls auslassen durfte, denn was sollte bei Gott nur aus einem heranwachsenden Mädchen werden, wenn es nicht fünf ordentliche Mahlzeiten am Tag zu sich nahm.
Heute frage ich mich, wie
Last and First Men
wohl den Weg über das Meer und auf diese Farm gefunden hat. H. G. Wells erkannte Stapledons Begabung. Vielleicht war das der Grund.
Bevor ich wieder losfuhr, kann ich nicht länger als ein paar Tage zu Hause gewesen sein. Ich musste weg.
Und wieder ging es in den östlichen Teil des Landes, unweit von Rusape auf der Straße von Salisbury nach Umtali. Die Leute dort hatten keine Landwirtschaft, sie lebten von ihrem Geld aus England, allerdings nicht auf dem Niveau der »Scheckbuchfarmer« von Marandellas. Er war im Krieg gewesen, verwundet worden und bezog jetzt Pension. Sie hatte ebenfalls etwas Geld. Diese ach so englischen Menschen lebten in Rhodesien, weil das Leben dort so billig war. Wären sie in England geblieben, hätten sich die Watsons kaum anders verhalten. Er war ein großer, gebückter, magerer, schweigsamer Mann mit einem langen, hageren Kopf und kräftigen, skeptisch verzogenen Lippen, die ständig mit einer großen krummen Pfeife spielten. Er kniff die Augen immer halb zu, weil der Rauch biss und weil er sein Gegenüber langsam und ausgiebig mustern musste. Bei meinem Vater hieß er der Mann aus Norfolk. Sie waren mit uns entfernt verwandt. Sie war dick, einfältig, goldblond, hatte blaue Augen und war, wie mein Vater behauptete, die typische Angelsächsin. Sie hatte im Krieg bei meiner Mutter im Royal Free Hospital ihre Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und sagte, meine Mutter sei streng, aber gerecht gewesen. Wenn sie daran dachte, wie sie damals angepfiffen worden war, lachte sie halbherzig. Und manchmal, wenn sie sagte, dass Bob, ihr Mann aus Norfolk, ein harter Mann sei, ach, ein harter Mann, auch wenn ihm das niemand zutraue, war ihr Lachen beklommen. Bob und Joan gehörten zu den vielen Paaren, bei denen ich mich besorgt fragte, welcher geheimnisvolle Ruf der Natur diese beiden Menschen dazu bestimmt hatte, einander ein Leben lang unglücklich zu machen.
Sie hatten sich für das einfache Grund-Haus entschieden, das die Alternative zu den untereinander verbundenen Rundhütten bildete. Es war aus Stein mit drei ineinander übergehenden Zimmern unter einem Wellblechdach und mit einer Veranda, die über die ganze Länge des Hauses ging. Dort, zwischen stehenden, hängenden und sich um die Pfosten rankenden Pflanzen aller Art spielte sich das Leben ab. Freundliche, gesellige Hunde – wie überall. Dekorative Katzen, wie überall. Sie mochte Katzen. Er mochte Hunde. Ihm gehörte die wunderschöne Schäferhündin Stella mit ihren Jungen. In meiner Geschichte
Zwei Hunde
habe ich darüber geschrieben. Dort, bei den Watsons, war es auch, wo ich meinen Hund Bill zum ersten Mal auf dem freien Platz hinter dem Haus herumtoben sah, vom Vollmond berauscht und trunken vor Glück, ein kleiner Hund zu sein. Dieser Platz war von vielerlei Gebäuden umgrenzt, die man auch auf einer richtigen Farm gefunden hätte, unter anderem einem Stall für die von Joan eigenhändig gemolkene Hauskuh. Ihr Mann
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