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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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daraus ein kleiner Fluss, der munter rauschend und flink zwischen großen Felsen hindurchschoss – und so würde er weiterfließen, mal schnell, mal träge, sich immer wieder mit anderen Flüssen vereinigen, bis zum Indischen Ozean.
    Als ich Joan davon erzählte, seufzte sie und sagte: »Bist du sicher, dass es für dich richtig ist …?« Das hieß wie bei meiner Mutter: »Bist du sicher, dass ein weißes Mädchen es riskieren sollte, von einem Kaffer vergewaltigt zu werden, weil sie mutterseelenallein im Busch herumläuft?« Ich ignorierte sie. Ich habe nie von Vergewaltigungen gehört. Kürzlich hat mir jemand von einer jungen Witwe in Matabeleland erzählt, die mit ihrer kleinen Tochter allein auf einer Farm lebte, in einem Haus, in dem die Türen und Fenster Tag und Nacht offen standen. Als Bob Joans schwachen Protest hörte, entgegnete er kurzerhand: »Selbstverständlich soll sie rausgehen. Als ich noch ein Kind war, war ich auch den ganzen Tag allein unterwegs. Das war in der Nähe von Norwich«, sagte er in meine Richtung – ohne allerdings, wie ich es mir gewünscht hätte, hinzuzufügen, dass er die Quelle auch kenne und wisse, wie wunderschön sie sei, dass er mit mir hingehen werde, um sie anzuschauen, und mich dann auf einen seiner gemächlichen, stillen Spaziergänge mitnehmen werde. Aber dazu lud er mich nie ein. Das war nicht seine Art. Er wusste wahrscheinlich nicht, wie kalt und verächtlich er wirkte. Tränen stiegen in die unschuldigen blauen Augen, die sich verständnisheischend auf mich richteten … Siehst du, was er für ein Scheusal ist?
    Sie hatte es gern, wenn ich Botengänge für sie machte, zu einer benachbarten Farm lief, um ein Rezept zu holen oder Gemüse zu verschenken. Sie hatte es gern, wenn ich die Hunde fütterte, die Zwinger sauber machte, mit der Kuh half. Aber am meisten freute ich mich, wenn sie mich in den Gemüsegarten schickte.
    Dann nahm ich zwei große, nach Kräutern duftende Körbe von den Haken im Vorratsraum und ging allein den Hügel vor dem Haus hinunter; die Hunde begleiteten stets Bob. Der Weg zum Garten war ein sandiger, gewundener Pfad unter Musasabäumen, etwa eine Meile lang. Auf halber Strecke lagen, hundert Meter vom Weg entfernt, unter den Bäumen Granitfelsen, zwischen denen eine Pythonschlange lebte. In der Nähe dieser Felsen mussten die Hunde, wenn sie mit Bob unterwegs waren, bei Fuß gehen, während er seine Büchse schussbereit im Arm hielt. »Ein Python kann so schnell sein wie ein Pferd«, sagte er, »Hunde fressen sie am liebsten. Vor zwei Jahren hat ein Python den armen Wolf erwischt.« Ich ging immer langsam an der gefährlichen Felsgruppe vorbei und hielt angestrengt nach dem Python Ausschau. Einmal sah ich ihn, grau, im gesprenkelten Licht reglos zusammengerollt, leicht mit Granit zu verwechseln. Vor Schreck trugen mich meine Füße so schnell sie konnten zum Garten hinunter. Obwohl ich auf demselben Weg zurückmusste und der Python jetzt wusste, dass ich da war, würde er … Ein genüssliches Gruseln, weil ich nicht glaubte, dass sich der Python für mich interessierte. Bei uns auf der Farm gab es Pythons, wir sahen oft welche, und ich war noch nie von einer rasenden Schlange durch das Gras gejagt worden. Sie suchten stets so schnell sie konnten das Weite.
    Ich blieb, kurz bevor ich den Garten erreichte, stehen und atmete die nach Kräutern, Tomaten und frischen Erbsen duftende Luft ein. Der Garten war zweitausend Quadratmeter groß und wegen der Ducker von einem hohen Zaun umgeben, aber manchmal kletterten Paviane darüber, warfen mit Auberginen und Paprika um sich und hinterließen dort, wo sie Kartoffeln ausgebuddelt hatten, Löcher in der Erde. Die Tomaten dufteten so kräftig, dass mir fast schwindelig wurde. Eine Reihe Tomatenpflanzen, meterlang, mannshoch, die Zweige schwer von grünen, gelben, rot gestreiften Tomaten, die ich manchmal für Chutney pflücken musste, und so vielen roten reifen Tomaten, dass es aussichtslos gewesen wäre, auch nur die Hälfte von ihnen pflücken zu wollen. Ich füllte die Körbe mit diesen prallen, reifen, duftenden tiefroten Früchten, pflückte je ein Büschel Thymian und Petersilie von den Beeten, wo die Kräuter nur so wucherten, verließ den Garten und schloss sorgfältig das Tor. Sobald ich fort war, stürzten die Vögel aus den Bäumen und sogar vom Himmel hinab, wo sie darauf gewartet hatten, dass ich wieder ging, und ließen sich in ihren verschiedenen Sprachen über diese Unterbrechung

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