Unter der Haut (German Edition)
ihres Festmahls aus. Einige der Tomaten waren von ihren Schnäbeln ausgehöhlt, und die Erbsenhülsen hatten sie aufgebrochen, sodass die hellgrünen Erbsen über die Wege kullerten. Joan sagte: »Wir pflanzen das Gemüse nicht für uns an, wir sind ein wohltätiger Verein«, und Bob fügte hinzu: »Vögel und Tiere wollen auch leben.«
Ich spazierte gemächlich den langen Weg hinauf, spürte, wie die Hitze mir zusetzte und die Tomaten mir an den Armen zogen. Jetzt rannte ich nicht, als ich das Territorium des Pythons durchquerte, obwohl ich das Gras genau beobachtete, um jede mögliche Wellenbewegung rechtzeitig sehen zu können. Ich ging langsam weiter, lauschte den Vögeln, den Vögeln Afrikas, vor allem den Tauben, deren träges, schläfriges Gurren zum Tagträumen und zu stillen Sehnsüchten verführt.
Oben angekommen stellte ich die Körbe nebeneinander auf den Küchentisch und trank Glas um Glas lauwarmes Wasser aus dem Filter. »Mach uns doch eine Suppe zum Mittagessen«, rief Joan von der Veranda aus, wo sie auf einem geflochtenen Liegestuhl ruhte, neben sich einen zweiten Liegestuhl voller Katzen. Ich legte Holz auf den Rost im Carron-Dover-Herd, der gleiche Herd wie unserer – wie von allen Leuten damals –, schichtete es so, dass es genug Luft hatte, und bald brannte das Feuer vorschriftsmäßig. Von einem Haken über dem Herd nahm ich den riesigen, schwarzen gusseisernen Topf, der immer nach Kräutern duftete, ganz gleich wie oft man ihn schrubbte. In den Topf leerte ich körbeweise Tomaten, zwanzig Pfund oder mehr. Dann wurde er auf die Flamme gesetzt, und ich begab mich auf die hintere Veranda, setzte mich gemütlich hin, baumelte mit den Beinen und schaute den frei laufenden Hühnern zu, den Hunden, wenn sie da waren, den Katzen, die neben den Hunden her lebten, ohne dass die einen den anderen Beachtung schenkten. Die Katzen hatten ihre besonderen Stühle, Plätze, Büsche, wo sie die langen, heißen Stunden des Tages zubrachten. Die Hunde lungerten auf der Veranda herum, niemals im Haus, das war Joan und den Katzen vorbehalten.
Nach einer guten Stunde nahm ich den Topf vom Herd. Jetzt blubberte darin sachte ein roter Brei. Ich rührte ihn mit einem Holzlöffel um, wobei ich gleichzeitig mit einem silbernen Löffel in der anderen Hand Hautstückchen herausfischte. Das war eine geruhsame, angenehme Tätigkeit. Wenn alle festen, kleinen roten Hautrollen heraus waren, kamen Salz und Pfeffer hinzu, eine Handvoll Thymian und ungefähr ein Liter cremige Sahne. Danach musste alles noch eine Stunde kochen.
Und dann gab es Mittagessen. Tellerweise rötliche, betörend duftende Suppe. Ich habe die Suppe weniger gegessen als in mich aufgesogen, zusammen mit den Gedanken an den Gemüsegarten, wo mittlerweile bestimmt Hunderte von Vögeln aus den Wassereimern tranken oder im Staub zwischen den Beeten badeten. Das lang gezogene, träge Gurren der Tauben, der Tomatenduft, der Python – aus alledem setzte sich der Geschmack zusammen.
Das ist Tomatensuppe. Lassen Sie sich nie eine vorsetzen, die dahinter zurückbleibt.
Ach ja, die hübschen Erinnerungen, das schönfärberische Gedächtnis, das sich überall die Höhepunkte heraussucht, in diesem Fall nichts als Freuden, kristallklare Quellen, Pythonschlangen, Gemüsesuppe, die Schläfrigkeit der Tauben, Katzen, die sich genüsslich unter meiner Hand rekeln …
Leider zwingt mich die Wahrheit …
Es gelang mir nicht, in diesem Ehekrieg unbeteiligt zu bleiben. Fast während der ganzen Zeit, die ich hier so idyllisch zeichne (und sie war auch idyllisch), kämpften in mir gleichzeitig heftige, dumpfe Gefühle. Es war schon eine seltsame Geschichte. Zu Hause identifizierte ich mich mit meinem Vater, denn ich hatte entschieden, dass er das Opfer meiner Mutter war, aber hier kehrte ich den Spieß um und verbündete mich mit Joan gegen Bob. Was für ein Ausbund an Grausamkeit er war! Wie schlecht er sie behandelte! Wenn sie weinte, also gut die Hälfte des Tages, tröstete ich sie mit allerlei empörten Äußerungen über die Dickfelligkeit der Männer, bis ich weder sie noch mich selber eine Sekunde länger ertragen konnte und in den Busch entfloh, genau wie daheim. Wenn Bob zu den Mahlzeiten erschien, sich schweigend an den Tisch setzte, alles aß, was ihm vorgesetzt wurde, und ihre für mich gedachten Zeichen, Ausrufe und Klagen über ihn ignorierte, saß ich da und fixierte ihn mit anklagenden bösen Blicken. Nach dem Essen setzten sie und ich uns zusammen
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