Unter der Haut (German Edition)
nur mühselig verborgen halten konnte. Ihm war das Händeschütteln und Kinderbewundern ein Gräuel. Major Hastings wiederum erledigte dies alles mit einem Hauch von Parodie, mit seinem einnehmenden Lächeln ließ er uns an seinem meisterhaften Können teilhaben. Wie hätten sich die Frauen nicht in ihn verlieben sollen? Von den Töchtern ganz zu schweigen. Es gibt Männer, die einem halbwüchsigen Mädchen – ohne ihm auch nur eine Sekunde zu nahe zu treten, ohne mehr als einen Blick – wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt verheißen, dass es eines Tages in den Bund der Liebenden aufgenommen werden wird. Dr. Huggins stapfte dagegen mürrisch davon, sobald eine Versammlung zu Ende war, und tat nichts, was uns dazu hätte bewegen können, ihn zu wählen. Aber wer war es, der Jahr für Jahr das Amt des Premierministers bekleidete und zu guter Letzt Lord Malvern wurde? Und kannte man seine Partei nicht immer einfach unter dem Namen »Huggins’ Partei«?
Es begann in jenem Jahr zwischen der Grund- und der Oberschule, dass ich unablässig überlegte, wie ich von der Farm wegkommen könnte, ohne an dem Konflikt zu scheitern, der darin bestand, dass die Farm mein Zuhause war und ich nach Hause gehörte. Aber ich musste fort. Ich machte dauernd Witze darüber, wie ich weglaufen würde, und die Witze regten mich dazu an, Ernst zu machen. Das, was mich schließlich daran hinderte, war ein Brauch, der im alten Rhodesien noch weiter verbreitet war als die Tagesbesuche. Man dehnte seine Besuche auf ein paar Tage, ein paar Wochen, einen Monat aus, und zwar aus denselben Gründen, die Jane Austen oder Tolstoi angeführt hätten: die schlechten Straßen, die alten klapprigen Autos und, natürlich, weil man Dienstpersonal hatte. Meine Eltern unterstützten mich wohlwollend, wenn ich solche Besuche machen wollte, aber aus anderen Gründen. Mein Vater ertrug das Gezänk zwischen uns, meiner Mutter und mir, immer schlechter, und meine Mutter konnte nachts nicht schlafen, weil ihre Sprösslinge so wenig Gelegenheit hatten, soziale Kontakte zu pflegen.
Als ich einmal im Geiste eine Liste aller Orte aufstellte, an denen ich mich länger aufgehalten hatte, merkte ich bald, dass der rein schematische Ansatz nichts als Fehler produziert. Du kannst monate-, ja jahrelang an einem Ort leben, ohne von ihm berührt worden zu sein, während dir ein einziges Wochenende oder eine Nacht an einem anderen Ort das Gefühl gibt, dein ganzes Wesen würde von einer Art kosmischem Wind gestreift. Zu guter Letzt standen auf meiner Liste etwa siebzig Orte, darunter eine Veranda, auf der ich einen einzigen Nachmittag verbracht hatte, während ich ein Haus, in dem ich lange genug gewohnt hatte, um ins Telefonbuch aufgenommen zu werden, gar nicht erst aufschrieb. So habe ich im Laufe meines Lebens mehrere Häuser in Marandellas kennengelernt, kann mich aber nur an eines gut erinnern. Es lag nicht mehr als sieben oder acht Meilen von der Stelle entfernt, wo wir – die Familie – zwei-, dreimal im Jahr unser Lager aufschlugen, in der Nähe der Schule meines Bruders; davon habe ich in
Rückkehr nach Afrika
geschrieben. In meiner Erinnerung liegt dieses Farmhaus nicht in der Nähe dieser Übernachtungsstelle und hat auch nichts mit ihr zu tun. Kinder können Häuser in ein und derselben Straße erleben, als lägen sie in verschiedenen Welten, das gilt sogar für Zimmer im selben Haus mit ihrer jeweils eigenen Atmosphäre – Luft, Geruch, Licht. Was ein Kind wahrnimmt, wenn es in ein neues Haus kommt, ist ein Bild, das die darin lebenden Erwachsenen nicht wiedererkennen würden. Der lose gewebte Stoff eines grünleinenen Sesselschoners ist wie ein Lächeln, die Hängelocken an einem Hundeohr sagen: »Ich liebe dich«, in einer roten Nackenfalte stehender Schweiß ist beinahe unerträglich, während dir die frischen Porzellanschüsseln mit buntem Gemüse auf dem Esstisch zu sagen scheinen, wie du dich zu benehmen hast.
Ich würde gern allgemeiner über dieses Haus in einem Distrikt berichten, wo angeblich »lauter Scheckbuchfarmer« lebten, denn es lag in einer Gemeinde, die ganz anders war als Banket, wo zumindest alle arm angefangen hatten. In Marandellas waren die Leute größtenteils wohlhabend. Viele waren aus Indien gekommen, wo sie die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt hatten. Sie hielten Pferde. Es wurden zwei große Jagden im Distrikt veranstaltet, die Beute der Jäger: Leoparden. (Meine Erzählung
Leoparden-George
geht auf Geschichten über
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