Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
Gebäude der Rechtsmedizin.
„Ein furchtbarer Kasten“, meckerte Prado. „Innen hui und außen pfui. Diese Waschbetonfassaden gehören sicherlich zum Hässlichsten, was die moderne Architektur hervor gebracht hat.“
„Treffen wir uns heute Abend auf ein paar Gläser im Spitz ?“ fragte Leng, der sich endlich einmal über etwas Positives unterhalten wollte. Er würde in jedem Fall da sein, weil freitags Elsa hinter der Theke stand. Sie hatte erst vor zwei Monaten dort angefangen, aber seitdem war er dort auffallend häufig zu Gast. „Also, was ist? Sehen wir uns?“
„Später am Abend vielleicht“, antwortete Prado. Vorher werde ich mit Susanne noch zum Italiener gehen und eine Pizza frutti di mare essen. Unsere Tochter schläft nämlich bei einer Freundin. Du kannst also völlig ungehindert flirten.“
Leng überhörte die Bemerkung. Er wusste, dass er sich in Elsas Gesellschaft zuweilen wie ein pubertärer Gymnasiast aufführte und von seinen Freunden deshalb auf die Schippe genommen wurde, vor allem wohl auch deshalb, weil seine Auserwählte fünfzehn Jahre jünger war und bisher durch nichts zu erkennen gegeben hatte, dass sie für ihn mehr als nur Sympathie empfand.
Sie fuhren zurück ins Präsidium, schrieben dort mit Hilfe der Notizen, die sie sich gemacht hatten, ihre Berichte und verabschiedeten sich gegen 16.00 Uhr von Maria, der sie ein angenehmes Wochenende wünschten.
Leng war seit fast zwölf Stunden auf den Beinen, viel zu lange, wie er fand, und ein geruhsames Wochenende stand ihm auch nicht bevor. Die Befragung der Ehefrau des Toten konnte nicht bis Montag aufgeschoben werden, und wer weiß, was noch passieren würde. Prado hatte vorgeschlagen, die Witwe allein zu vernehmen, da er gegen Mittag seine Eltern besuchen wollte, die ganz in der Nähe wohnten; aber der Hauptkommissar, von seiner Neugier und dem Wunsch getrieben, einen Fall so schnell wie möglich zu lösen, versprach, mitzukommen.
8
Der Start ins Wochenende hätte kaum schlechter beginnen können. Am Abend hatte Leng die Tür zu seinem Stammlokal geöffnet und festgestellt, dass Elsa nicht hinter der Theke stand. Zuerst hatte er sie in der Küche oder auf der Toilette vermutet und sich damit zu beruhigen versucht. Als sie nach einer Viertelstunde aber noch immer nicht aufgetaucht war, hatte er Yussef, den Geschäftsführer gefragt und von ihm erfahren, dass sie krank sei. „Sie hat die Schicht aber getauscht und wird nun morgen dafür hier sein“, hatte er schließlich dem sichtlich enttäuschten Hauptkommissar als Trost verkündet.
Eine Stunde hatte er alleine am Tresen gesessen, was ihm allerdings endlich einmal die Möglichkeit bot, abzuschalten, ohne ständig von flüchtigen Bekannten mit ihren ungelösten Dauerproblemen belästigt zu werden. Einzig mit Yussef, der ein unglaubliches Gespür für seine Gäste besaß und sie je nach Bedarf aufmunterte oder in Ruhe ließ, hatte er einige Sätze gewechselt.
Um 20.00 Uhr war dann zu Lengs Erstaunen Prado aufgetaucht, allerdings nicht in Begleitung seiner Frau, wie er enttäuscht feststellen musste. Er mochte Susanne und hatte sich auf eine Begegnung mit ihr gefreut. Sie war klug, verstand es, jemanden aufzumuntern und verbat sich jegliche Unterhaltung über seine Arbeit oder die ihres Mannes mit der Begründung, sie wolle sich beim Biertrinken nicht mit Toten beschäftigen, sondern mit Lebenden unterhalten.
„Hat leider nicht geklappt mit unserem Restaurantbesuch“, waren die Worte, die Prado statt einer Begrüßung an Leng richtete. „Randolph, unser Kater, hat irgendeinen Infekt, weshalb Susanne mit dem Tier zum Arzt musste. Jetzt liegt er apathisch vor der Heizung in der Küche und rührt nicht einmal sein Futter an.“
„Traurig, traurig“, hatte Leng geantwortet und sich wohl eher auf den Abend bezogen, da er sich für Katzen nicht übermäßig erwärmen konnte.
Mehr als eine Stunde hatten sie mehr oder minder schweigend nebeneinander gestanden, die Gegenwart des jeweils anderen genossen und ihr Bier getrunken, bis um kurz vor 21.00 Uhr die Tür aufschwang und Maria die Kneipe betrat. Da war es mit der Ruhe vorbei gewesen. Sie wirkte völlig überdreht, hatte sich mal wieder mit dem unter ihr wohnenden Mieter, der regelmäßig seine Frau verprügelte, angelegt und schließlich die Polizei gerufen.
„Was hätte ich denn sonst machen sollen?“ hatte sie mit ihrer hohen Stimme, die bei der Aufregung einem Kreischen nahe kam, gefragt. „Wenn die schreit,
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